Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Novelle von Schmidt-Weißenfel8. 125

alter Weiſe mit ihr zu ſcherzen; ſie konnte niht mehr unbefangen oder gar ausgelaſſen darauf eingehen. Dex Ton ſeiner Sprache fand niht mehr das Echo in ihrer Bruſt. Ex ſpielte und ſ<hmeicelte mit Lottchen wie ſonſt, aber der Mutter war es, als ſei diefes väterliche Gebahren fein Ausdru> reiner Empfindung. Ein Miß= trauen, deſſen Grund ſie ſi< niht zu enträthſeln ver= mochte, wu<s von Tag zu Tag mehr in ihr empox, und in thm griff es ebenſo um ſi, weil ex das ihrige errieth. Sie bekamen Beide eine inſtinktive Fur<ht vor einander. Ex, weil fein böſes Gewiſſen lebendig geworden ; ſie, weil ſie die Ahnung nicht mehr los wurde, ihr drohe eine Ge= fahr und ihr Mann verberge etwas vor ihr.

Vergebens ſchalt ſie ſi, raffte ſie entſ{<loſſen ſich auf, in der alten Liebe zu ihm ſi<h zu benehmen. Aber es ex= ſtarben die herzlichen Worte, die fie an ihn ri<ten wollte, auf ihren Lippen, und der Kuß, den ſie thm zu bieten ſich zwang, verfloß in einen falten Hau<h und rief ein Schauern ihres Körpers hervor. Ex ſeinerſeits, wie ex ſich au äußerlich zu meiſtern wußte, konnte die Unruhe ſeines Gemüthes niht bewältigen; er vermied es, ſeiner Frau in die Augen zu ſchauen und mehr als durchaus nöthig mit thx zuſammen zu ſein und zu ſprechen. Mit Sorgen um die Ernte und Geſchäſte ſuchte ex dieſe Auf= fälligfeiten zu rehtſertigen, und ſie wollte es glauben. Doch jede Nacht ſuchte fie mit ſchre>lichen Träumen heim, und jeder Tag bedrücfte ſie mit unheimlichen Gedanken, als blaſe ſie ihr ein böſer Geiſt zu, dex ſi<h ins Haus geſ<lichen.