Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Roman von Georg Hartwig. 37 gewaltſam in die höhere Oftave zog, da gab es feine Uebex= windung mehr, Jrma preßte ihr Spißentuch krampfhaft gegen die zu>éenden Lippen — zwei Jahre ihres Lebens hätte fie darum gegeben, frei herauêlachen zu fönnen.

Hans Meiſchi> wax auf's Aeußerſte ungehalten über die Aufführung ſeiner Frau. Er wandte ſi<h gegen die Hausfrau, indem ex ſagte: „An dieſem Liede hängt eine drollige Geſchichte, die ih Jhnen ſpäter erzählen muß. Meine Frau tann es nicht hören, ohne daran zu denken; ſie iſt zu unbefangen, um derlei Regungen zu unterdrücen. Dafür foll ſie uns je8t ſelbſt etwas vortragen, wenn Sie geſtatten.“

Ex reichte Jrma den Arm und führte ſie zu dem Juſtru= ment. „Wenn Du ſo fortfährſt,“ flüſterte er ihr unwillig zu, „jo wirſt Du mix meine Stellung hier bald unmöglich gemacht haben. Du ſprichſt über die Sitten dex Hieſigen Frauen und verfällſt ſelbſt in einen Ton, den ich niht näher bezeichnen will.“ Als ſie etwas erwiedern wollte, ſagte er ſchroff: „Singe!“ und entfernte ſich.

Verflogen war ihre kurze Heiterkeit, ſchal, Furcht ein= flößend machte ſich die Wirklichfeit wieder geltend. Abex ſie durfte nicht aufſpringen, niht davoneilen ; jene vor=wurfzvollen Blie ruhten unabläſſig auf ihr. Sie konnte es niht hindern, daß eine heiße Thräne in ihren Schoß glitt, mochte au< ihr Gatte daraus einen neuen Beweis unzulänglicher Selbſtbeherrſhung ſ<öpfen. Ohne Zaudern, dem Impulſe folgend, der den ſtillen Schmerz zum Aus= bru drängte, hauchte ſie leiſe: „Kennſt Du das Land, wo die Citronen blühen?“ Das wax fein nahgeſungenes Lied, das wax Selbſtempfinden, das war ein Geſtändniß,