Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

36 Der Talis8man des Weibes.

deutlich geſehen! Rofaſtrümpfe — guter Gott! Bringen Sie doh nux ſchnell die jungen Männex wieder in die Nebenſtube !“

Auch der Amtsrichter Meiſchi> hatte die anſcheinende Koketterie ſeiner Frau mißbilligend beobachtet, ex wußte, daß ihr jede böſe Abſichtlichkeit fern lag, und daß Jrma's etwas na< Emanzipation ſchme>enden Auseinanderſezungen nux eine fortgeſeßte Perſiflage der Krähwinkelei waren, abex von ſeiner Frau fonnte er mehr Würde, mehr Be= ſ<ränkung erwarten. Das lauter werdende Geiuſchel rings umher reizte ſein empfindliches Zartgefühl unerträgli, deshalb fam ex der verlegen mit ſi<h zu Rathe gehenden Bürgermeiſterin zu. Hilfe, indem er den Vorſchlag machte, eine muſikaliſhe Abwechſelung in die Unterhaltung zu bringen.

Sofort, als müßte es ſo ſein, erhob fich die ältliche Sungfrau, deren Manipulationen mit dem Kneifer no< immerx zu feinem Reſultat geführt hatten, und ſchritt an das Jnſtrument. Seit Jahren war ſie gewöhnt, als gutes Beiſpiel muthig zuerſt zu ſingen, was jedenfalls dankenê= werth war; Jrma aber, mit den Gebräuchen unbekannt, Hielt dieſe unfehlbar ſcheinende Selbſtaufforderung für die luſtigſte Satire von der Welt. Jhre glänzenden Augen zuhten voll kindlicher Erwartung auf den Lippen dieſer „Primadonna“, welche alsbald mit Gaumenlauten der un= zweideutigſten Art Kücken's „Und ſchau ih hin, ſo ſauſt Du her!“ vorzutragen begann. Bis dahin hatte die junge Frau ſich zu beherrſchen vermocht, als aber die Sängerin das melancholiſche „lala mit tiefſter Kehle einſeßte und