Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

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76 Der Talisman des Weibes.

hafte Lohe, wo die junge Frau müßig im Schaukelſtuhl am Fenſter ſaß und dem Naturſchauſpiel mit träumen=den Blicken folgte. Sie gab ſi<h keine Rechenſchaft mehr von ihren Gedanken, ſonſt hälte ihr bange werden müſſen vor Wünſchen, welche ſie hinauszogen in die Hochfluth des Lebens, fort vom heimiſchen Herd, aus diefen beſchränkten Näumen, fort aus dumpfen Verhältniſſen, aus drüctenden Banden.

Ein Geräuſch ſ<hre>te Jrma aus ihren Träumen auf. Graf Freiberg ſtand vor ihr.

„Das Mädchen ließ mich hier eintreten,“ ſagte er halb verwirrt, halb kühn. „Jh ſtöre Sie in Fhrexr Sieſta. Wie ſoll ih mi< entſchuldigen?“

„Gar nichtl“ erwiederte ſie lächelnd. „Eine angenehme Störung iſt wie eine angenehme Ueberraſchung, man ex= ſchri>t leicht und freut ſi<h danach. Seien Sie willfom= men!“ Jrmna wies einladend auf einen Seffel. „Sie müſſen heute mit meiner Geſellſchaft fürlieb nehmen, Herr Graf, mein Gatte iſt nicht zu Hauſe.“

„Das iſt allerdings außerordentlich bedauernêwerth.“

Sie erröthete tief vor ihrer Koketterie. „Ja, ſoviel ih weiß, hatte ex no< auf dem Gericht zu thun und wollte daun unſere neue Hausgenoſſin abholen. Jh fürchte aber, die Poſt wird ſich dex verſchneiten Wege halber verſpäten.“

„Ohne Zweifel! Jh ſehe ſchon, es macht Fhnen Freude, meiner zu ſpotten. So bleibt mix nur übrig, offen zu exflävren, daß ih die8mal vor einer düſteren Stunde zu Jhnen flüchtete. Männer ſind geſchi>t, Entſchlüſſe zu begutachten, Thatſachen zu begreifen, aber für Entwic>kez lungsprozeſſe haben ſie kein Jntereſſe, ebenſo wenig ein