Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

76 Dex Talismgn des Weibes,

punkt. Man ward plöblich inne, daß ganz Sittlingen ſoli= dariſch verpflichtet ſei, ſeinem Abſcheu vox Moxd und Treu= bru< dur< demonſtrative Beweiſe der Sympathie Ausdru> zu geben. Die Honoratioren mußten als Verkörpe= rung des guten Rechtes Meiſchi> von ihrem allſeitigen Wohlwollen überzeugen, deſſen erſter Ausfluß ein Liebes= mahl im Hauſe des Bürgermeiſters werden ſollte. Ein Ständchen wurde bei den Stadtmuſikanten im Voraus be= ſtellt, und die Apothekerin ließ es ſi<h niht nehmen, die Entréethüre der Meiſchi’ſchen Wohnung mit einer Monſtreguirlande zu belaſten. Viel hätte nicht gefehlt fo wäre cine poetiſche Verſicherung aufgeſeßt worden, in welcher die ganze Geſellſ<haft ſi<h anheiſchig machte, ihn ſein Wittwerthum vergeſſen zu laſſen. Denn daß der Gefeierte die langweilige Stiftstante und das überflüſſige Gretchen, von deren Samariterthum man damals förmlich begeiſtert geweſen, wieder mitbringen fönnte, fiel feinem Sittlinger im Traume ein.

Juſtizrath Dreyſing, welcher im Herbſt ſeine Stellung als Rechtsanwalt und Notar niedergelegt und fſi< auf Reiſen begeben hatte, fehlte bedauerlicher Weiſe, als die Stimmen für oder wider eine kurze Begrüßung des Amts= richters, glei<h na< ſeinem Eintreffen, dur<h das Stadt-= oberhaupi am Stammtiſch geſammelt wurden. Zuleßt einigte man ſi dahin, dieſe wohlgemeinte Rede zum Feſt= braten aufzuſparen, damit auch die Damenwelt ihre Neugier thunlichſt befriedigen könne.

So tveit war Alles auf das Sorgfältigſte vorbereitet, als die Dienſlmagd den Befehl von Meiſchi> zugeſandt