Bitef

gen oder strikt erfüllen, so oder so zugrunde richten müssen. Kleists Fall. Aus der Amazonenüberlieferung der Griechen, an sich schon ein Zeugnis für ein patriarchalisch beeinflußtes Verkehrtbild, macht Kleist ein weiteres Negativ, entsprechend einer neuen Stufe männlicher Entfremdung in der ökonomisch produktiver, das heißt: arbeitsteiliger werdenden männerzentrierten Gesellschaft... Goethe hielt dafür, daß keine Position, welche die Kultur errang, je wieder aufgegeben werden dürfe. Bedeutet nun aber die Faszination durch den Mythos, die Wiederheraufholung mythologischer Themen, die Ergriffenheit vom Doppelsinn des Wortes sacra, das heilig wie verflucht heißen kann, in der Kunst unweigerlich eine Rückkehr oder auch nur eine Sehnsucht nach früheren, ungegliederteren Zuständen? Nach Primitivismen, Atavismen, Barbarismen? Bei Kleist, scheint mir, bedeutet das PenthesileaMotiv all dieses nicht. Die Untat, der Rückfall in die Barbarei wird in vollkommener Geistes- abwesenheit verübt und trennt die Unselige, als ihr Realitätssinn wieder erweckt ist, für immer von ihrer Umgebung und von sich selbst. Eine Ernüchterung zum Tode, der mit einer Ästhetik scheinhafter Alternativen nich beizukommen ist. Dieser Penthesilea, diesem Kleist ist auf Erden nicht zu helfen. „Daß die Poesie das glückliche Asyl der Menschheit bleiben wird" ist, wir wissen es nur zu genau, ein frommer Wunsch des alten Goethe geblieben. Für unser Auge tritt, so seh' ich es, aus Kleists Trauerspiel ein Mensch hervor, leidenschaftlich und unbedingt, gebrechlich und verletzlich, mutig und ohnmächtig, fehlbar und der Hilfe bedürftig, verkörperter Schrei nach einer realen Möglichkeit für eine lebbare Existenz. □ Christa Wolf

Kleist Er war ein Dichter und ein Mann, wie einer, Er brauchte selbst dem Höchsten nicht zu weichen, An Kraft sind wenige ihm zu vergleichen ,