Bitef
Ausgangspunkt der Tragödie: Penthesilea und Achill sind jeweils so ausschließlich mit sich selbst und der für sie völlig neuen Lebenssituation beschäftigt, daß ihnen der Blick für den Partner und dessen Hoffnungen und Sehnsüchte verstellt ist, verloren geht. Gerade die Übereinstimmung ihrer Gefühle ist es, die sie nicht für möglich halten können dadurch wird das die Katastrophe hervorrufende Mißversändnisnzwangsläufig. Wenn denn also von Krankheit überhaupt die Rede seim soll, dann in bezug auf eine kranke Gesellschaft. Der stellt Kleist - hellsichtig und sehr sensibel - seine Helden, also zum Beispiel Penthesilea, entgegen, denen es nicht möglich ist, unter solchen Umständen zu leben. Die letzten Worte der Tragödie, von Prothoe
gesprochen, gelten dieser Heldin Penthesilea: Sie sank, weil sie zu stolz und kräftig blühte! Die abgestorbne Eiche steht im Sturm, Doch die gesunde stürzt er schmetternd nieder, Weil er in ihre Krone greifen kann. □
Penthesilea Die Penthesilea ist ein Stück, unter dessen Oberfläche immer neue Schichten heryortreten, je nachdem, auf welche Tiefenschärfe wir unsere Augen einstellen. Auch
wenn Kleists eigene Seelenlage uns unbekannt wäre - der Kampf der Amazone Penthesilea mit dem griechischen Heros Achill bleibt ein großer Vorwurf. Daß er nicht in Kleists Zeit, daß er nur in der Antike zu finden war, versteht sich von selbst: zwei gleichgestellte, im gleichen Maße handlungsfähige Menschen, Mann und Frau, in Liebe einander verfallen, doch reder von beiden an das Gesetz ihres Volkes gebunden, das zugleich das Gesetz ihres Geschlechtes ist: Sie muß und darf nur lieben, den die Schlacht ihr zutreibt und den sie besiegt. Ihm ist natürlich, daß die Frau ihm bedingungslos folgt; nur zum Schein kann er sich ihr fük kurze Zeit ergeben, und schon dieser Vorsatz macht ihn in den Augen der Gefährten toll. Das Mißverständnis, die Verkennung
regieren mit Notwendigkeit der Dramaturgie; als sollten Nordund Südpol zueinander- kommen, als sollten die beiden Enden eines Magnets zusammengebogen werden: In der Art einer verheerenden Naturkatastrophe entladen sich die unvereinbaren Gegensätze. So gesehen, ist die „Penthesilea“ eine Metapher für die hoffnungs- lose Trennung von Mann und Frau, Eine zweite, nahebei liegende Lesart könnte den Kampf einer Frau um ihr Recht auf individuelle Liebe hervorheben. Aber natürlich ist das Stück auch, tritt man nur einen Schritt zurück und läßt es als allgemeingültiges Muster auf sich wirken, ein geschlossenes Modell für die Verstrickung eines Menschen in unvereinbare Bedürfnisse und Pflichten, die ihn, mag er sie vernachlässi-