Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

114 Vierte Ordnung: Raubüiere; fünfte Familie: Hunde.

Regel kurzhaarigen, glatten Felle. Die feine, geſtre>e Schnauze, die ziemli<h langen, ſchmalen, zugeſpißten, halbaufrehtſtehenden, gegen die Spiße umgebogenen und mit furzen Haaren beſeßten Ohren, die furzen und ſtraffen Lippen geben dem Kopfe das eigentümlich zierliche Anſehen und bedingen zugleich die verſchiedene Ausbildung der Sinne. Der Windhund vernimmt und äugt vortrefflih, hat dagegen nur einen ſ<hwachen Geruchsſinn, weil die Naſenmuſcheln in der ſpizen Schnauze ſi<h niht gehörig auszubreiten vermögen und ſo die Nervenentwi>elung des betreffenden Sinnes nie zu der hohen Ausbildung gelangen fann wie bei anderen Hunden. An dem geſtre>ten Leibe fällt die Bruſt beſonders auf. Sie iſt breit, groß, au8gedehnt und gibt verhältni8mäßig ſehr großen Lungen Raum, welche au< bei dem dur eilige Bewegung außerordentlich geſteigerten Blutumlaufe zur Reinigung des Blutes hinreichenden Sauerſtoff aufnehmen können. Die Weichen dagegen ſind aufs äußerſte angezogen, gleihſam um dem durch die Bruſt erſhwerten Leibe wieder das nötige Gleichgewicht zu geben. Wir haben denſelben Leibesbau bei den Langarmaffen und einen ähnlichen bei dem Gepard bemerken fönnen und finden ihn bei vielen Tieren wieder, immer als untrügliches Zeichen der Befähigung zu ſ<hneller und anhaltender Bewegung. Ungemein fein gebaut ſind die Läufe des Windhundes: man ſieht an ihnen jeden Muskel und namentlih auch die ſtarken Sehnen, in welche dieſe Muskeln endigen. Aber au< an dem Bruſtfaſten bemerkt man alle Zwiſchenrippenmuskeln, und manche Windhunde ſehen aus, als ob ihre Muskeln von einem geſchi>ten Zergliederer bereits bloßgelegt wären. Der Shwanz iſt ſehr dünn, ziemlih lang, reiht weit unter das Ferſengelenk herab und wird entweder zurü>hängend getragen oder nah rü>wärts geſtre>t und etwas nah aufwärts gebogen. Die in der Regel dicht anliegende, feine und glatte Behaarung verlängert ſich bei einzelnen Raſſen und nimmt dann meiſt auh eine abweichende Färbung an, während dieſe bei den meiſten Raſſen ein ſhönes Rötlichgelb iſt. Gerade die vollendetſten Windhunde, nämlich die perſiſchen und innerafrikaniſchen, tragen faſt aus\ſ<ließli< ein derartig gefärbtes Haarkleid. Gefle>te Windſpiele ſind ſeltener und regelmäßig ſ{hwächlicher als die einfarbigen.

Hinſichtlich des geiſtigen Weſens unterſcheidet ſih der Windhund von anderen Hunden. Ex iſt ein im höchſten Grade ſelbſtſüchtiges Geſchöpf, hängt in der Regel nicht in beſonderer Treue ſeinem Herrn an, ſondern läßt ſih von jedermann ſ{<hmeiceln und neigt ſich zu jedem hin, welcher ihm freundlih iſt. Gegen Liebkoſungen empfänglih wie kein anderer Hund, läßt er ſih ebenſo leiht erzürnen und fletſht ſhon bei der kleinſten Ne>erei die Zähne. Eitelkeit und ein gewiſſer Stolz iſt ihm niht abzuſprehen; Zurü>kſeßungen verträgt ex nicht. Bei lebhafter Erregung nimmt ſein Herzſchlag eine kaum glaublihhe Unregelmäßigkeit und Schnelligkeit an; er zittert dabei oft am ganzen Leibe. Alle dieſe Eigenſchaften machen ihn nur bis zu einem gewiſſen Grade als Geſellſchafter der Menſchen tauglih. Hat er einen Herrn, welcher ihm beſtändig ſhmeichelt, ſo befindet er ſih wohl und zeigt auch eine gewiſſe Anhänglichkeit; ſeine Untreue aber macht ſih bemerklih, ſobald ein anderer Menſch ſih ihm freundlicher zeigt als der eigene Herr. Dieſe Untreue iſt geſchihtli<h. Als Eduard II. ſtarb, zog ihm ſeine Buhle no< ſ{hnell einen koſtbaren Ring vom Finger, und ſein Windſpiel verließ ihn im Augenbli>e des Todes und ſhmiegte ſih ſeinen Feinden an. Doch gibt es auch unter den Windhunden rühmliche Ausnahmen, welche an Anhänglichkeit und Treue hinter anderen Hunden kaum zurü>ſtehen und uns auch in dieſer Hinſicht mit der Naſſe befreunden. Und möglicherweiſe verdienen die Windſpiele insgeſamt von. vornherein enthuldigt zu werden; denn gewichtige Gründe ſprechen dafür, daß die größere oder geringere Anhänglichkeit eines Hundes mit der verſchiedenen Ausbildung ihres Geruchsſinnes in Beziehung ſteht.

Wie der Windhund ſih gegen den Menſchen zeigt, ſo benimmt er ſih auch gegen andere Hunde. Er liebt ſie nicht, ſie ſind ihm ſogar faſt gleichgültig: kommt es aber zu einer