Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Steppenwindhund: Wertſhäßung. Wachſamkeit. OIE

Im Jahre 1848 verlebte ih mehrere Wochen in dem Dorfe Melbeß in Kordofan und hatte hier vielfache Gelegenheit, den innerafrikaniſchen Windhund zu beobahten. Die Dorf: bewohner nähren ſi, obgleich ſie Getreide bauen, hauptſächlih von der Viehzucht und der Jagd. Aus dieſem Grunde halten ſie bloß Schäfer- und Windhunde, die erſteren bei den Herden, die leßteren im Dorfe. Es war eine wahre Freude, durch das Dorf zu gehen; denn vor jedem Hauſe ſaßen etliche der prächtigen Tiere, von denen eines das andere an Schönheit übertraf. Sie waren wahſam und ſhon hierdurh von ihren Verwandten ſehr verſchieden. Sie ſhüßten das Dorf auc gegen die nächtlichen Überfälle der Hyänen und Leoparden; nur in einen Kampf mit dem Löwen ließen ſie ſi niht ein. Am Tage verhielten ſie ſi ruhig; erſt nah Einbruch der Naht begann ihr wahres Leben. Man ſah ſie dann auf allen Mauern herumklettern; ſelbſt die kegelförmigen Strohdächer der runden Hütten beſtiegen ſie, wahrſcheinlih um dort einen geeigneten Standpunkt zum Ausſhauen und Lauſchen zu haben. Jhre Gewandtheit im Klettern erregte billig meine Verwunderung. Sqon in Ägypten hatte ih beobachtet, daß die Dorfhunde nachts ſih mehr auf den Häuſern als auf den Straßen aufhalten: hier aber ſind alle Hüttendächer glatt und eben; in Melbeß dagegen waren dies nur die wenigſten. Wenn nun die Nacht hereinbrah, hörte man anfangs wohl hier und da Gekläff und Gebell; bald jedo< wurde es ganz ruhig, und man vernahm höchſtens das Geräuſch, welches die Hunde verurſahten, wenn ſie über die Dächer wegliefen, unter denen man lag. Doh verging während meines ganzen Aufenthaltes keine Nacht, ohne daß ſie Gelegenheit gefunden hätten, dem Menſchen zu dienen. Eine Hyäne, cin Leopard oder ein Gepard, wilde Hunde und andere Raubtiere näherten ſi allnächtlih dem Dorfe. Ein Hund bemerkte die verhaßten Gäſte und {lug in eigentümlich kurzer Weiſe heſtig an. Jm Nu waren alle anderen lebendig: mit wenig Säßen ſprang jeder Hund von ſeinem erhabenen Standpunkte herab; in den Straßen bildete ſi<h augenbliélih eine Meute, und dieſe ſtürmte nun eilig hinaus, um den Kampf mit dem Feinde zu beſtehen. Gewöhnlich hatte ſhon nach einer Viertelſtunde die ganze Geſellſchaft ſich wieder verſammelt: der Feind war in die Flucht geſchlagen, und die Hunde kehrten ſiegreich zurü>. Bloß wenn ein Löwe erſchien, bewieſen ſie ſi feige und vertrochen ſih heulend in einen Winkel der dornigen Umzäunung des Dorfes.

Jede Woche brachte ein paar Feſttage für unſere Tiere. Am frühen Morgen vernahm man zuweilen im Dorfe den Ton eines Hornes, und dieſer rief ein Leben unter den Hunden hervor, welches gar niht zu beſchreiben iſ. Als ih den eigentümlichen Klang des Hornes zum erſten Male vernahm, wußte ih ihn mix nicht zu deuten; die Hunde aber verſtanden ſehr wohl, was ex ſagen ſollte. Aus jedem Hauſe eilten ihrer drei oder vier mit wilden Sprüngen hervor, jagten dem Klange nach, und in wenigen Minuten hatte ſih um den Hornbläſer eine Meute von wenigſtens 50—60 Hunden verſammelt. Wie ungeduldige Knaben umdrängten ſie den Mann, ſprangen an ihm empor, heulten, bellten, kläfften, wimmexrten, rannten unter ſi< hin und her, knurrten einander an, drängten eiferſüchtig diejenigen weg, welhe dem Manne am nächſten ſtanden, kurz, zeigten in jeder Bewegung und in jedem Laute, daß ſie aufs äußerſte erregt waren. Als ih aus den meiſten Häuſern die jungen Männer mit ihren Lanzen und verſchiedenen Schnuren und Stricken hervortreten ſah, verſtand ih freilih, was der Hornlaut zu ſagen hatte: daß er das Jagdzeichen war. Nun ſammelte ſih die Mannſchaft um die Hunde, und jeder ſuchte ſich ſeine eigenen aus dem wirren Haufen heraus. Jhrer 4—6 wurden immer von einem Manne geführt; dieſer aber hatte oft ſeine Not, um die ungeduldigen Tiere nur einigermaßen zu zügeln. Das war ein Drängen, ein Vorwärtsſtreben, ein Kläffen, ein Bellen ohne Ende! Endlich ſchritt der ganze Jagdzug geordnet zum Dorfe hinaus, dabei ein wirklich prachtvolles Schauſpiel gewährend. Man ging ſelten weit, denn ſchon die nähſten Wälder boten eine ergiebige