Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

134 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

hinter den anderen; die Spiße der Unterkinnlade tritt vor die der Oberkinnlade; E> und Backenzähne ſind gewaltig; die großen Augen haben einen düſteren Ausdru>.

Der Bulldogg oder Boxer (Canis familiaris molossus gladiator) wird zumal in England häufig gehalten. Man ſieht ihn, mehr noch als den Bullenbeißer, für ein wütendes, unzugänglihes und ſtumpfſinniges Tier an, darf ihm dieſe Eigenſchaften jedo< nur in beſchränkter Weiſe zuſchreiben. Seinem Herrn gegenüber zeigt der Bulldogg Treue und Anhänglichkeit; do<h muß er dieſen vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß deſſen geiſtige Kraft ſeine leibliche unter allen Umſtänden unterjochen kann; denn ſonſt glaubt das Tier nicht ſelten, das au<h an den Menſchen verſuchen zu dürfen, was es an allen Tieren ſi< zu ſ<hulden kommen läßt. Ungemein biſſig und herrſ<hſüchtig, bekundet der Bulldogg eine wahre Freude, ein anderes Tier totzubeißen. Dabei muß man rühmend anertennen, daß ſein Mut no< größer iſt als ſeine wirklih fur<htbare Stärke. Lenz erzählt mehrere Thatſachen, von denen ih nur die eine anführen will. „Fm Fahre 1850 ſah ih in Gotha eine Menagerie, bei der ſi<h ein großer {öner Wolf befand. Am folgenden Tage zwängte ſih der Wolf aus ſeinem Käfig und verbreitete unter den vielen Zuſchauern großen Schre>en. Ein Bulldogg des Menageriebeſißers, welcher ruhig in einer Ee gelegen, hatte alles beobachtet, ſprang plößli<h aus eigenem Antriebe hervor und verbiß ſi feſt in die Kehle des Wolfes. So gewann der Mann Zeit, aus einem vom Zelte geſchnittenen Stricke eine Schlinge zu fertigen, die er dann dem Wolfe über den Kopf warf. Hund und Mann ſchafften nun gemeinſchaftli<h den Wolf nah dem Käfige hin; dort kam er aber tot an, die Dogge hatte ihn in ihrem Dienſteifer erwürgt.“

Was der Boxer einmal gefaßt hat, läßt er ſo leiht niht wieder los. Man kann ihn in einen Sto> oder in ein Tuch beißen laſſen und an dieſem Gegenſtande in die Höhe heben, auf den Rü>en werfen und andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß er ſein Gebiß öffnet.

Die Eigenſchaften der Doggen waren {hon den Römern bekannt; ſie wurden deshalb außerordentlich geſchäßt, weil ſie ſi<h mehr als alle übrigen Hunde eigneten, eine Hauptrolle in den blutigen Spielen des Zirkus zu übernehmen. Nachdem England römiſche Provinz geworden war, gab es daſelbſt beſondere Beamte, denen die Erziehung und Auswahl der na< Rom zu ſendenden Doggen oblag. Dort kämpften lettere zur Freude des Volkes mit zahlreichen wilden Tieren, und dieſe römiſche Beluſtigung erbte ſih auh auf ſpätere Zeiten fort, indem in England noch zuzeiten Eliſabeths und Jakobs LI. große Tierkämpfe angeſtellt wurden. Stow ſchildert ein Gefecht, welches drei Doggen einem Löwen lieferten. Der erſte Hund wurde ſogleih am Nacken gepa>t und herumgeſhleppt; dem zweiten ergings niht beſſer; der dritte aber erfaßte den König der Tiere an der Lippe, hielt ihn feſt, bis er dur Krallenhiebe abzulaſſen genötigt wurde, überlebte auh, obgleih ſ{<werverwundet, allein den Sieg über den Gegner, welcher, ſobald er ſih frei fühlte, erſhöpft und zu fernerem Kampfe ungeneigt, über die Hunde wegſprang und in dem geeignetſten Winkel ſeines Käfigs Schuß ſuchte.

Nicht alle Doggen ſind angenehme Gefährten des Menſchen. Man kennt Beiſpiele, daß ſie ihren eigenen neuen Herrn in Belagerungszuſtand erklärten und ihn niht von der Stelle ließen. Man begreift, weshalb die Bulldoggen gegenwärtig wenig gehalten werden. So geiſtesarm, als man gewöhnlich glaubt, ſind ſie niht; es gibt im Gegenteile einzelne, welche an Verſtand faſt mit dem Pudel wetteifern. Jh kannte einen ſolchen Hund, welcher dur ſeine Verſtändigkeit viel Vergnügen bereitete. Er war auf alles mögliche abgerichtet und verſtand ſozuſagen jedes Wort. Sein Herr konnte ihn nah mancherlei Dingen ausſenden, er brachte ſie gewiß. Sagte er: „Geh, hole eine Kutſche!“ ſo lief er auf den Warteplaß der Lohnfuhrwerke, ſprang in einen Wagen hinein und bellte ſo lange, bis der Kutſcher