Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

138 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünſte Familie: Hunde.

Dorf ganz allein der Wachſamkeit dieſer Hunde überlaſſen wird, während die ſämtliche männliche Bevölkerung ſih entweder draußen bei den Herden in den Feldern oder auf der Jagd befindet. Dann dienen die Hunde zum Schuße der Frauen und Kinder und gewähren beiden eine vollkommene Sicherheit. Neuere Berichterſtatter behaupten, daß der Mut des Tieres nicht im Verhältnis mit ſeiner Kraft ſtände, andere ſagen, daß er als verſtändiges Tier bloß wirkli<h fur<tbare Feinde mit voller Kraft anfalle.

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Eine von den Doggen ſehr verſchiedene Gruppe iſt die der Dächſel oder Teel (Canis familiaris vertagus). Sie zählen jedenfalls zu den eigentümlihſten und merkwürdigſten aller Hunde. Der lange, walzenförmige, nah unten gekrümmte Leib mit dem eingebogenen Rü>en, welcher auf kurzen, verdrehten Beinen ruht, der große Kopf und die große Schnauze mit dem tüchtigen Gebiſſe, die hängenden Ohren, die großen Pranken mit den ſcharfen Krallen und das kurze, glatte, ſtraffe Haar kennzeichnen ſie. Die Beine ſind ſehr furz, plump und ſtark; die Handgelenke der vorderen nah einwärts gebogen, ſo daß ih beide faſt berühren, von da an aber plögli<h wieder nah auswärts gekrümmt; an den Hinterpfoten bemerkt man eine etwas höher geſtellte, gefrallte Afterzehe. Der Schwanz iſt an der Wurxzel di>, gegen das Ende zu verſchmälert, reiht ziemlih bis an das Ferſengelenk hinab und wird hoh na<h aufwärts gerichtet und ſtark nah einwärts gebeugt, ſelten gerade au8geſtre>t getragen. Die kurze Behaarung iſt grob, aber glatt und von ziemli<h we<ſelnder Färbung, oben gewöhnlih ſchwarz oder braun, unten roſtrot, nicht ſelten auh einfarbig braun oder gelblich, ja ſelbſt grau oder gefle>t. Jn der Regel finden ſi ein paar hell roſtrote Fle>en über beiden Augen; doh kommen ſolche ſogenannte „Vieräugelfle>en“ auch bei anderen Hunden vielfah vor.

Man iſt darüber vollkommen im unklaren, woher der Dachshund ſtammt. Xenophon ſcheint ihn gekannt zu haben, und er findet ſi<h au< ſhon auf altägyptiſhen Tembpelbildern. Fm Verhältnis zu ſeiner geringen Größe iſt der Dahshund ein außerordentlich ſtarkes Tier, und hiermit ſteht ſein großer Mut im beſten Einklange. Aufs Jagen erpit wie kaum ein anderer Hund, würde er zur Verfolgung jedes Wildes verwendet werden fönnen, beſäße er niht die Unaxten, auf ſeinen Herrn wenig oder niht zu a<hten und das Erjagte aewöhnlih anzuſchneiden. Alle Dächſel haben eine ſehr feine Spürnaſe und ein außerordentlich feines Gehör, Mut und Verſtand in hohem Grade, Tapferkeit und Ausdauer und können daher zu jeder Jagd gebraucht werden, gehen ſelbſt auf Schweine tolldreiſt los und wiſſen ſi< auh prähtig vor dem wütenden Eber zu ſhüßen, welcher ſie ihres niederen Baues halber ohnehin niht ſo leicht faſſen kann wie einen größeren Hund. Sie ſind klug, gelehrig, treu, munter und angenehm, wachſam und von Fremden ſ{<hwer zu Freunden zu gewinnen, leider aber auch liſtig und diebiſch, im Alter ernſt, mürriſch, biſſig und oft tü>iſch: ſie knurren und fletſhen die Zähne ſogar gegen ihren eigenen Herrn. Gegen andere Hunde äußerſt zänkiſh und kampfluſtig, ſtreiten ſie faſt mit jedem, welcher ſih ihnen naht, ſelbſt mit den größten Hunden, welche ihnen unbedingt überlegen ſind.

Bei der Jagd hat man ſeine liebe Not mit ihnen. Der Däthſel nimmt die Verfolgung des Wildes mit einer unglaublichen Gier auf und begibt ſih in die ärgſten Dickichte; er findet, dank ſeiner vortrefflichen Sinne, auch bald ein Wild auf: nun aber vergißt er alles. Er mag früher wegen ſeines Ungehorſams ſo viel Prügel bekommen haben, als ex nur will; der Jäger mag pfeifen, rufen, nah ihm ſuchen, — hilft alles nihts: ſolange er das Wild vor Augen hat oder deſſen Fährte verfolgt, geht er ſeinen eigenen Weg mit einer Willkür, welche bei Hunden geradezu beiſpiellos iſt. Stundenlang folgt er dem aufgeſcheuhten Haſen, ſtundenlang ſharrt und gräbt ex an einem Baue, in welchen ſih ein Kaninchen geflüchtet