Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Vorſtehhund: Diezels Urteil. 145

„Der unkundige Zuſchauer, welcher Zeuge eines ſolchen Auftrittes iſt, kann niht anders glauben, als daß ein ſol<her Hund ganz gleihgültig und ohne alle Leidenſchaft ſei, daß der Haſe für ihn gar keinen Reiz habe. Aber wie ſehr trügt hier der Schein! Nicht Gleichgültigkeit, niht Mangel an Luſt, anders zu handeln, wenn ich ſo ſagen darf, iſt es, was ihn davon abhält, ſondern der Gehorſam, das Gefühl der Unterwürfigkeit, die Furcht vor der Strafe. Die Natur ſcheint hier unter den Händen der Kunſt gleihſam untergegangen zu ſein; allein ſie iſt es nicht, ſie {lummert nux, oder vielmehr ſie ſhweigt, weil ſie hweigen muß, weil ihre Stimme niht laut werden darf. Man beobachte denſelben Hund, welcher unmittelbar unter den Augen ſeines Führers dieſen hohen Grad von Selbſtbeherrſhung zeigte, wenn ex allein oder ſi ſelbſt überlaſſen iſt, oder wenn er einen Führer hat, den er niht achtet. Er wird ſih dann der Begierde zu jagen ſo gewiß überlaſſen als jeder andere auh. Daher kommt es dann auh, daß in der erſten Zeit der Abrichtung ſelbſt Hunde, welche in der Nähe ihres Herrn ſchon ziemlich folgſam ſind, noh manchen Fehler begehen, ſobald man ihnen geſtattet, ſi<h weit zu entfernen.

„Einen höchſt anziehenden Anbli> gewährt es dem Zuſchauer, ſogar dem, welcher niht ſelbſt Jäger oder Jagdkenner iſt, wenn er die Vorſicht wahrnimmt, mit welcher ſih der Vorſtehhund dem aufgefundenen Federwilde nähert. Wenn er z. B. bei Mangel an günſtigem Winde nicht ganz ſicher weiß, nah welcher Seite hin die Nebhühner gelaufen ſind, kehrt er ſ{hnell um, umkreiſt in großen Bogen, wo er ſie vermutet, und jede große Annäherung ſorgfältig vermeidend, ſpürt er auf dieſe Weiſe endlih den Plaß auf, wo ſie feſtliegen, und hier erſt bleibt au< er ſelbſt augenbli>li< feſtſtehen. Beim Abſuchen der Getreideſtücke läuft der erfahrene Hund nicht etwa in die Frucht ſelbſt hinein, ſondern bloß an der Seite des Aers hin, jedoch ſo, daß ihm der Wind von dem Wilde her entgegenweht; denn auf der entgegengeſeßten Seite wird er den Zwe> des Auffindens nicht ſo ſicher erreichen.

„Schon mehrmals iſ mix auc der Fall vorgekommen, daß, während meine Hunde im vollen Suchen begriffen oder do< überhaupt in lebhafter Bewegung waren, plößlich innehaltend, ſie ſi< fla<h auf den Boden niederwaxfen und in dieſer Stellung liegen blieben. Wenn i< nun, der Richtung ihrer Bli>e folgend, nahforſhte, was wohl die Urſache ihres Benehmens ſein möge, ſo war es regelmäßig irgend ein Wild, meiſtens ein Haſe, den ih oft no< in ſehr großer Entfernung laufen oder vielmehr auf uns zukommen ſah; denn nur in dem einzigen Falle, wenn er in gerader Linie ſih uns näherte, nicht aber, wenn er ſeine Nichtung ſeitwärts vorbei nahm, legten ſih die Hunde nieder, wie ein Naubtier, welches auf die Annäherung ſeines Opfers lauert, um dasſelbe, wenn es nahe genug herangekommen, ſicherer zu erhaſchen, zuvor aber ſi< vor deſſen Augen ſoviel als möglich zu bergen ſucht.“

Der Hund lernt alle dieſe Jagdbegriffe allerdings erſt nach langer Abrihtung; aber wohl bei feinem anderen Tiere ſieht man beſſer, wieviel es leiſten kann, wenn der Menſch es lehrt und gut behandelt, als bei dem Vorſtehhunde. Ein wohl abgeführter Jagdhund iſt ein wirkli<h wunderbares Tier und verdient ſeinen lateiniſhen Namen sagax in vollem Maße. Auch er iſt ein Menſchenhund, wie Scheitlin ſagt; denn er beweiſt wahren Menſchenverſtand. Er weiß genau, was er zu thun hat, und ein ſchlechter Jäger, welchen ein gut geſ<hulter Jagdhund begleitet, wird von dieſem nicht ſelten in der allerempfindlichſten Weiſe getadelt. So kannte ih einen Hühnerhund, Namens Basko, welcher wohl alles leiſtete, was man jemals von einem ſeiner Art verlangen konnte. Sein Herr war ein ganz vorzüglicher Shüße, welher gewöhnli<h unter 20 Schüſſen auf fliegendes Wild keinen oder nur einen Fehlſhuß that. Einſt kommt der Sohn eines Freundes unſeres Weidmanne®ë zu ihm, ein junger Aktenmenſch, welcher die Feder allerdings beſſer gebrauchen konnte als das Gewehr, und bittet um die Erlaubnis, ein wenig zu jagen. Der Förſter gewährt ihm dies mit den Worten: Gehen Sie, aber ſchießen Sie gut, ſonſt nimmt es Basko gewaltig

Brehm, Tierleben. 83. Auflage. Il 10