Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Stöberhund. Seidenhund. Neufundländer. 151

zugeſpißt. Die Ohren ſind lang, breit, gerundet, vollſtändig hängend und mit ſehr langen Haaren beſeßt, die Lippen kurz und ſtraff, die Füße von mittlerer Länge, niht di>, aber ziemlich ſtark, die vorderen vollkommen gerade, die Hinterfüße ohne Afterklauen. Der mittelſtarke und mittellange Shwanz reicht etwas unter das Ferſengelenk und wird ſtark nah rüdwärts gebeugt und aufwärts getragen. Die Behaarung iſt lang, zottig, aber ſeidenartig; Schnauze und Vorderſeite der Füße ſind kurz behaart, die Hinterſeite derſelben aber, der Kopf, der Bauch und der Schwanz, beſonders an der Unterſeite, mit langen, zottigen Haaren bede>t. Die Oberteile des Körpers ſind gewöhnlich ſhwarz, Bruſt, Bauch, Füße, die Lippen und Wangen bräunlichgelb, und auh über den Augen findet ſi ein bräunlicher Fle>en. Außerdem kommen aber auch rötlichbraune, ſ<hwarz und weiße und ſehr häufig gefle>te mit gelbbraunen, rotbraunen oder ſhwarzen Fle>en auf weißem Grunde vor.

Alle Seidenhunde ſind leiht und ſchnell, aber niht ausdauernd. Sie haben feinen Geruch und großen Verſtand, ohne jedo<h beſonders gelehrig zu ſein. Zur Jagd auf kleines Wild und namentlih auf Federwild werden einige und vor allen die Waqchtelhunde benutt; doh bedürfen ſie einer ſehr ſorgfältigen Erziehung, weil ihre urſprüngliche Jagdbegierde zu groß iſt. Selbſt bei der beſten Erziehung zittern ſie vor Begierde bei Auffindung einer Spur und ſind nicht im ſtande, ihre Freude oder ihren Cifer zu verbergen, ſondern kläffen und bellen faſt fortwährend. Aus dieſem Grunde werden ſie häufiger in der Stube gehalten als zur Jagd benugßt. Sie ſind übrigens ſehr mutig und behalten auh in anderen Klimaten ihre urſprüngliche Kühnheit bei, ſelbſt in dem heißen Jndien, welches die beſten nordiſchen Hunde bald verdirbt. Kapitän Williamſon erzählt, daß eines dieſer kleinen tolldreiſten Tiere einſtmals ſogar einem Tiger mutig entgegenging. Das gewaltige Raubtier ſchaute den kleinen Kläffer anfangs verwundert an, dann aber ſtand es auf, von dem Gebelfer des zudringlichen Naſeweis geſtört, und flüchtete! Der Erzähler verſichert, daß es einen unbeſcreiblichen Anbli> gewährt habe, die beiden in Größe und Kraft ſo verſchiedenen Tiere hintereinander zu ſehen, den großen, gewaltigen Tiger mit gehobenem Schweife voran und den mutigen kleinen Hund zankend und bellend hinterdrein.

Die kleinen Wahtelhünd<hen werden König-Karlhündchen, die kleinſten Blenheimhündchen genannt, jene aus dem Grunde, weil König Karl 11. von England ſie außerordentlich liebte und ſtets einige bei ſi hatte. Jhre dunkle Farbe, welche übrigens oft ins Bräunliche ſpielt die weiße Vorderbruſt, das ſeidenweiche, lange Haar und das große, lange Behänge zeichnen ſie aus. Die allerbeſten und geſhäßteſten von ihnen wiegen bloß 25, die größten niht mehr als 3,5 kg. Sie ſind als Stubenhunde außerordentlich beliebt, weil ſ<mu>, munter und gelehrig, wenn ſie richtig behandelt werden, und die unterhaltendſten Geſellſchafter, wel<he man ſi denken kann. Ewig auf luſtige Streiche bedacht, laſſen ſie ſi mit ſehr geringer Mühe erheiternde Kunſtſtücke lehren. Unangenehm iſt, daß ihre Augen beſtändig thränenfeucht ſind, und ihnen von einem Winkel aus dieſe Thränen ohne Unterlaß tiber die Wangen herablauſen.

Während wir die leßterwähnten Raſſen als Zwerge betrachten fönnen, müſſen wir den Neufundländer (Canis familiaris extrarius terraenoyaëe, Abbildung S. 152) als den Rieſen unter den Seidenhunden anſehen. Das gewaltige Tier foll ein doppelter Baſtard des großen Pudels mit dem franzöſiſchen Fleiſcherhunde ſein und in Neufundland ſeine Naſſe bis zur Stunde in ihrer urſprünglichen Reinheit erhalten haben. Es iſt ſehr ungewiß, um welche Zeit ſich dieſe Raſſe in Neufundland gebildet und wer hierzu Veranlaſſung zunächſt geboten hat. Man weiß gewiß, daß die Engländer bei ihrer erſten Niederlaſſung in Neufundland im Jahre 1622 dieſe Hunde noch niht vorfanden, und nimmt deswegen mit großer Wahrſcheinlichkeit an, daß die Stammeltern, jedenfalls vortreffliche und ausgezeihnete Hunde,