Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Schäferhund. Spit. 165

Nays jedoch wußte er noh nihts. Nach kurzer Überlegung machte er die Runde um die Herde, unterſuchte die einzelnen Felder und blieb endlich bei demjenigen ſtehen, deſſen Frucht ſi von den ihm bekannten Getreidearten unterſchied: das mußte das Rapsfeld ſein, und dem war au< wirkli ſo!

Solche Erzählungen beruhen nicht auf Einbildung, ſondern ſind buchſtäblich wahr: man braucht nur einen Schäferhund zu beobachten, um ſie zu glauben. „Wie erwacht in mir“, erzählt Müller, „immer aufs neue die Erinnerung ſo mancher glänzenden That der Wachſamkeit, Überlegung und Charakterſtärke, wenn ich des beſten Vertreters der Raſſe, den ih je gekannt, gedenke, wie er beim Eintreiben der Herde in die Stoppelfelder ohne jegliches Geheiß ſi vor die hin und wieder noch ſtehen gebliebenen Fruchthaufen ſtellte, ernſt und würdig im Bewußtſein ſeines Amtes, und die ganze Herde vorüberwandeln ließ. Mit derſelben umſichtigen Ruhe beſhügte er lautlos die Gemüſeäter, an denen ſeine Herde vorüberz0g. Man ſah den Schafen an, daß ſie wohl inne waren, welcher Meiſter des Hütens ihre Flanken bewachte. Da war kein ſtarrköpfiges Schaf, welches aus der Reihe ſprang, ſelten ein Le>ermaul, welches über die Grenze wegnaſchte, aber auch kein Tier der Herde, alt wie jung, wel<hes vor dem lo>igen Geſellen zurü>ſhre>te oder gar angſtvoll in Flucht geriet. Ruhig und ſtetig, wie an einer Schnur geleitet, zog die Herde durch die Flur dahin, und wenn ſie an einem Hag oder an einer Hute ſtille hielt und lagerte, umſtanden Gruppen von Schafen den Hund, wie ein zu ihnen gehöriges Glied der Herde.“

Wie der Pudel wird auh der Schäferhund zum Trüffelſuchen abgerichtet, vorzugsweiſe in Frankreihh, vielfah au< in Deutſchland.

Was der Schäferhund für die Herden, iſt der Spiß oder Pommer (Canis familiaris domesticus pomeranus, Abbildung S. 166) für das Haus. Klein oder höchſtens mittelgroß, fräftig und unterſetzt, ſpißköpfig und ſpißſchnauzig, als müßte man auf Reineke den Verdacht der Vaterſchaft werſen, kurzbeinig und langſhwänzig, ausgerüſtet mit mäßig großen Ohren und eben ſolchen klugen und lebhaften Augen, dicht eingehüllt in ein bald grobes und langes, bald feines und kurzes Fell von rein weißer, gelber, fuhsroter, grauer, ausnahmsweiſe au< ſ{<warzer Färbung, höchſtens no< mit lichter Stirnbleſſe und weißen Abzeichen an den Füßen, tritt er uns entgegen, ſo daß man ihn ſhwerlih verkennen kann.

Dieſer in ſeiner Art ebenfalls ganz vortreffliche Hund wird in vielen Gegenden Deutſchlands als Wächter auf Bauernhöfen zum Bewachen des Hauſes und Hoſes oder von Fuhrleuten als Hüter ihrer Wagen benußt. Bei legteren fehlt er wohl ſelten und übernimmt hier zugleih noch eine andere Rolle: er erheitert und erfreut durch ſein munteres Weſen den in gleichmäßiger Weiſe ſeinen Tag verbringenden Mann bei dem ſ{hwierigen Geſchäfte. Der Pommer gilt für die beſte Naſſe, weil er bei unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit beſonders aufmerkſam und lebhaft iſt, dabei weder Regen noch Kälte ſcheut, ja gewöhnlich im Hauſe oder Hofe dort am liebſten zu liegen pflegt, wo der Wind am ſtärkſten pſeift. Übrigens zeigen alle Spitze einen großen Hang zur Freiheit und taugen deshalb niht als Kettenhunde, während ſie als umherſtreifende Wächter ihrer Treue und Unbeſtehlichkeit wegen unerſeßbar ſind.

Jn ſeinem Weſen und Betragen unterſcheidet ſih der Spiß weſentlich vom Schäferhunde. Abgeſehen von der unermüdlihen Wachſamkeit, welche beide mit gleichem Cifer ausüben, und ſeiner Freundſchaft gegen Haustiere iſt er das gerade Gegenteil von dieſem, immer in Bewegung, ſoviel wie möglich laut, ein oft höchſt unangenehmer Kläſſer ſogar, heftig, reizbar und biſſig. Weder im Gehöſte noh auf dem Wagen kaun er in Ruhe bleiben. Dort lot ihn jeder Vorübergehende an die Straßenthür, jedes ängſtlich ga>ernde Huhn in den Hintergarten; hier ſeßt er mit geſchi>éten Sprüngen von der Ladung auf den Bo, vom