Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

164 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

durch unpaſſende Kreuzung am Äußeren und Jnneren des Tieres verändert und verſhle<tert haben mögen , immer und immer kehrt ſeine zähe, kräftige Natur zu ihrer urwüchſigen, ſprechenden Weſenheit zurü>k. Wie der Spit ſtellt der Schäferhund die Wachſamkeit gleichſam über ſi< ſelber. Den leiſeſten Tritt eines den Feldweg Wandernden vernimmt ſein feines Gehör; der geringſte Luftzug bringt der ſcharfen Naſe die Witterung des der Herde ſi Nahenden, und ebenſo entſchieden wie ſicher iſt die Fremdes antündigende Stimme. Zu dieſer Wachſamkeit geſellt ſi< auf der Grundlage einer rauhen, derben Natur ernſter Mut, welcher das Tier aber niemals auf die Abwege des Naufboldes führt. Auch die Tugend der Genügſamkeit beſißt unſer Hund in hohem Grade, und die Unempfindlichkeit gegen Näſſe, Kälte und Hite leilt er mit ſeinem Gebieter. Jmmer beweiſt er ſih verſtändig, aufmerfſam und im Hüteramte von morgens bis abends unverdroſſen thätig. Dabei iſt er ernſten, ruhigen Weſens, karg im Lautgeben und Bellen, treu und voll Anhänglichkeit an ſeinen Herrn.“ Dhne ihn würde es unmöglich ſein, Vieh zu hüten; ein Schäfer richtet mit ihm mehr aus als 20 Hirten ohne Hund. Ja dex beſte von allen, den wir wohl für den ſchönſten und klügſten halten dürfen, der ſchottiſhe Colly oder Collie, bringt es ſogar ſo weit, die ihm anvertraute Herde auch ohne den Menſchen ſicher zu bewachen, zu führen, auszutreiben und re<htzeitig wieder heimzugeleiten.

Man verwendet den Schäferhund gewöhnlih ſhon im erſten Jahre ſeines Alters als Wächter der Herden. Mit der Zeit lernt er ſeinen Wirkungskreis vollſtändig ausfüllen. Es iſt keineswegs gleichgültig, welches Vieh er zu hüten hat, denn er muß nach den verſchiedenen Haustieren ſein Betragen einrihten. Der Hund des Kuhhirten muß ſtets feinen Herrn beobachten und aufmerken , was dieſer befiehlt. Rinder, welche niht ſogleih gehorchen, muß er wirkli beißen, denn ſonſt haben ſie keine Furcht vor ihm. Treibt er die Kuh vor ſi her, ſo darf er ihr nur nach den Hinterbeinen beißen, nie nah dem S<hwanze oder an die Seiten, am allerwenigſten nah dem Euter. Schlägt eine Kuh nach ihm aus, ſo muß er ſi gut in acht nehmen, aber dennoch beißen; widerſeßt ſih ein DWhſe oder eine Kuh geradezu mit den Hörnern, ſo trägt er, wenn er ſeinem Amte gewachſen iſt, denno< den Sieg davon, indem er das Tier in das Maul faßt und ſi< daran feſthängt. Die ſpaniſchen Hirten benuzen während des Hütens au<h noh die SHleuder und wiſſen ſie mit unfehlbarer Sicherheit zu gebrauchen. Ein Ochſe, welcher einigemal dur< einen ihm an den Kopf geworfenen Stein vom Hirten geſtraft worden iſt, darf ſih vor dem Hunde in a<t nehmen; denn dieſer merkt ſih den ſtörriſchen ſehr bald und erlaubt ihm ſchon nah furzer Zeit bloß die allerbeſhränkteſten. Bewegungen innerhalb eines gewiſſen Kreiſes. Starke Hammel muß der Schäferhund auch beißen, jedoch bloß in die Hinterbeine; Lämmer, trähtige oder ſäugende Schafe aber darf er niemals greifen, ſondern er muß dann bloß ſo thun, als ob ex beißen wollte.

Wie bei jedem Hunde erkennt man in ihm das Spiegelbild ſeines Herrn. Der Hirtenhund Spaniens iſt ebenſo wütend, der Schäferhund Deutſchlands ebenſo gutmütig wie ſein Herr. Jt dieſer ein Wilddieb: ſein Hund thut es bald dem tüchtigſten Jagdhunde gleich; beſtrebt ſich jener, ſein kärglihes Brot durh Sammeln von Shwämmen und dergleichen zu verbeſſern: der Hund hilft ſie ihm ſuchen; muß der Gebieter zwei- und vierbeinigen Räubern entgegentreten: der Hund übernimmt ſeinen Anteil an entſtehenden Kämpfen; lebt der Schäfer friedliche Tage: ein ſanfteres Weſen gibt es niht als ſeinen Hund. Beide gleichen, beide unterhalten ſi<. Es gibt Schäferhunde, welche wirklich jedes Wort ihves Herrn verſtehen. Ein glaubwürdiger Beobachter erzählte mir, daß er ſelbſt gehört habe, wie ein Schäfer ſeinem Hunde befahl, den „Raps“ beſonders in acht zu nehmen. Das Tier ſtußte einen Augenbli>, wahrſcheinlich, weil es das Wort früher noh niht gehört hatte. Weizen und Noggen, Gerſte und Hafer, Wieſe und Feld waren ihm bekannte Dinge, vom