Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Spit. Eskimohund, 167

ſelbſt dem Wolfe niht und tötet den Habicht, welcher ſih auf die Henne ſtürzte, falls dieſer ſich niht dur<h ſhleunige Flucht rettet.

Alles beſchützen, alles in Ordnung halten, das ihm Anvertraute mit unbeſtehliher Treue hegen und pflegen, ſcheint Lebenszwe> des Spißes zu ſein. „Jn der Nähe eines vielbeſuhten Badeortes mit ſchöner Umgebung“, ſo erzählte mir eine feinſinnige Frau, „lernte ih einen der waerſten Spiße kennen, welcher mir jemals vorgekommen iſt. Wir wünſchten einige der nähſten Ausſichtspunkte zu beſuhen und verlangten vom Wirte Weg und Steg zu wiſſen. „Fh will Fhnen einen Führer mitgeben, auf welchen Sie ſi verlaſſen können“, bemerkte der Mann und rief ſeinen Hund herbei. „Spib‘, ſagte er, „du führſt dieſe Herrſchaften und zeigſt ihnen alles, — alles, hörſt du!“ Spiß antwortete dur Wedeln des Schwanzes, machte die Runde von einem Mitgliede der Geſellſchaft zum anderen und ſeßte ſi in Bewegung. Unter ſeiner Führung ſtieg man den Berg hinauf. Einige Geſellſchaftsmitglieder blieben zurü>. Spit wartete, ruhig am Wege ſißend, bis ſie herangefommen waren: eine andere Geſellſchaft, welche tags vorher denſelben Führer benugt hatte, fam von oben herab, erfannte den Hund und lote ihn an ſi: Spiß wedelte freundlich danfend, blieb fi aber ſeines Auftrags bewußt und verließ die neuen Bekannten niht. Rechts! und links ab vom Wege führte er die ihm Anbefohlenen; auf jedem Ausſichtspunkte blieb er ſißen, bis man ſi zum Weitergehen anſchi>te; endlich kehrte er um. Er hatte ſeine Aufgabe glänzend gelöſt, nihts verſäumt, keinen ſhönen Punkt übergangen, kein Mitglied der Geſellſchaft verloren. Sichtlich erfreut nahm ex, zu Hauſe angelangt, das Lob ſeines Herrn und die Liebkoſungen der von ihm Geführten entgegen.“

Nicht minder nüßlich als die leßtgenannten beiden mat ſich der Eskimohund (Canis familiaris domesticus borealis), welcher den Spigen zuzure<nen iſt und im ganzen Norden der Erde von den hier hauſenden ungeſitteten Völkerſchaften als das wichtigſte aller Hauzstiere angeſehen werden muß. Er beſizt 50—60 em Sqhulterhöhe, doh herrſchen in manchen Gegenden ſtärkere Tiere vor. Von unſerem Schäferhunde unter cheidet er ſi<h durch eine mehr wolfsähnlihe Erſcheinung, die aufrecht ſtehenden Ohren, den dien Pelz, welcher im Winter förmlich wollig erſcheint, und den liſtigen Geſichtsausdru>. Sein Auſtreten befundet Ungebundenheit und ein gewiſſes Maß von Freiheit, obgleich er dieſe nur zeitweilig genießt. Der Eskimohund hat im ganzen Norden der Alten Welt höchſt ähnliche Verwandte und wird ebenſo zum Hüten des Viehes wie zum Ziehen von Shhlitten benußt. Bei feinen Arbeiten als Renntierhirt wollen wir uns niht aufhalten, ſondern mehr auf leßtere Beſchäftigung Nückſicht nehmen.

Der Eskimohund bringt faſt ſein ganzes Leben unter dem Joche zu; denn entweder muß er Schlitten ziehen oder Laſten tragen. Jm Norden von Amerika und ſeinen benach: barten Jnſeln iſ er wirkliches oder einziges Jochtier, welches der Menſch dort ſich zu eigen gemacht hat. Nur während der kurzen Sommerzeit geſtattet ihm ſein eigennüßiger Herr eine gewiſſe Freiheit, während des Winters iſt er vollendeter Sklave.

Einen wohlgenährten Esfimohund darf man ein ſchönes Tier nennen; [eider aber wird ihm die Nahrung, wenn er ſie ſich nicht ſelbſt verſchaſſt, von ſeinem Herrn ſo ſparſam zugemeſſen, daß er viele Monate hindur< mehr einem Gerippe als einem lebenden Weſen ähnelt. Sein Verhältnis zu dem Menſchen iſt eigentümlicher Art. Er weiß, daß er in Sklavenketten liegt, und verſucht, dieſe Ketten zu brehen. Es iſt etwas vom wölfiſchen Weſen in ihm, in leiblicher Hinſicht ſowohl als in geiſtiger. Dem arktiſchen Wolfe gleicht er ſo ſehr durch ſeine dichte Behaarung, die aufrecht ſtehenden Dhren, die Breite des Oberfopſes und die ſpige Geſtalt der Schnauze, daß beide, aus einiger Entfernung geſehen, gar niht unterſchieden werden können. Während Parrys zweiter Polarreiſe wagte einſt eine