Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

202 Vierte Ordnung: Raubtiere; fünfte Familie: Hunde.

Wenn die glutſtrahlende Sonne ſih zur Erde neigt und alle Tagesgeſchöpſe noh einmal neulebendig geworden ſind in der Kühle des Abends, denkt eine mehr oder weniger düſtere und dennoch ſo ſhmu>e Schax daran, ihr Tage- oder beſſer Nachtwerk zu beginnen. Von den greulichen Hyänen und den heulenden Schaïalen, welche um diefe Zeit hungerig nach Nahrung umherſtreifen, will ih hier nicht reden, ebenſowenig von dem Wüſtenluchſe: es gilt jezt, noh einen dieſer Räuber, und zwar den zierlihſten und ſ<mud>ſten von allen, vorzuſtellen. Das iſt der Fenek oder Wüſtenfu<s (Vulpes zerdo, Canis, Megalotis und Fenecus zerda s. zerdo, F. arabicus und brucei, Vulpes zaarensïs und minimbus, Viverra aurita), ein Zier, welches no< beſſer als die Gazelle ſelbſt die Wüſte kennzeichnet. Man denke ſi< ein Fuchsgeſicht, zart und fein, liſtig, pſiffig und ſchlau im Ausdrue wie das unſeres Reineke; aus dieſem Geſichte aber treten ein Paar ungewöhnlih große Augen hervor, und zu beiden Seiten dieſes Geſichtes ſtre>en ſih gewaltige Lauſcher, ſo großartige Ohren heraus, wie ſie nicht nux nit in der ganzen Fuchsgattung, fondern auch kaum in der geſamten Hundefamilie wiederzufinden ſind. Auf ungemein zarten, zierlichen Füßchen ruht der ſ<hlanke Leib, und eine die, lange und buſchige Lunte endet ihn. Das ganze Tier zeigt augenbli>lih an, daß es ebenſo gewandt wie behende ſein muß, und gibt ſhon äußerlich die vorzügliche Schärfe ſeiner Sinne kund.

tit der Dämmerung hört man zuweilen ein leiſes Kreiſchen, welches niht wohl beſchrieben werden kann, und ſieht, wenn man glü>lic iſt, zwiſchen den Sandhügeln, zwiſchen dem Geklüfte oder in den Niederungen zwiſchen dem Graſe unſeren Fenek dahinſcleichen, äußerſt bedachtſam, äußerſt vorſichtig, lauernd, äugend, witternd, lauſchend nach allen Seiten hin. Da iſt nichts, was der Aufmerkſamkeit dieſes dur<hgebildeten Raubgefellen entginge. Die Heuſchre>e dort, welche den lezten Abendſprung macht, hat fo viel Geräuf<h hervorgebracht, daß es die großen Lauſcher des Fenek wohl vernommen haben, und mehr neugierig als eßluſtig ſ<hleiht die zierliche Geſtalt herbei, um ihr den Garaus zu machen; oder die gewandte Eidechſe hat ſih geregt, und im Nu iſt der Fenek bei der Hand, um zu ſehen, was es gebe. Doch ſeine Hauptnahrung beſteht in anderen Tieren, namentli<h in Vögeln. Wehe der Wüſtenlerche, welche zufällig nahe des Weges ſißt, den der Fenek wandelt! Sie iſ verloren, wenn ſie nur einmal den Flügel regt, ein Kind des Todes, wenn ſie, träumeriſh ihres einfachen Liedes gedenkend, einen einzigen Ton vernehmen läßt! Wehe au< dem Flughuhne, gerade ihm ſtrebt der Fus am eifrigſten nah! Er braut niht viel zu fangen: ein einziges gibt einen le>eren Braten, hinreichend für ihn und vielleicht auch für ſeine hungerige Sippſchaſt. Da muß man ihn ſchleichen ſehen, wenn in die feine Naſe des feinen Stromers eine Witterung gekommen iſt von einer Flughuhnkette! Vielleicht hat bloß eines oder das andere den Pfad gekreuzt, auf welchem der Gaudieb dahinſtrol<ht, aber das genügt. Sorgfältig wird die Fährte aufgenommen, mit tiefgeſenkter Naſe geht es weiter, lautlos, unhörbar und unſichtbar. Der Fenek kennt die Flughühner wohl, und ſein Auge iſt ſchärfer als das der meiſten Reiſenden. Ex läßt ſi< niht täuſchen von ähnlich gefärbten Steinen oder Erdhaufen; denn ſeine Naſe und ſein herrlihes Gehör ſprehen ein Wörtchen mit beim Aufſpüren. So gering au< das Geräuſch iſt, welches ein Flughuhn hervorbringt, wenn es in ſeinem Federwamſe neſtelt, ſo wenig ſichtbar die Bewegung ſcheint, welche ein ſorgenvolles Männchen macht, auh im halben Schlafe noh, um zu ſichern, und ſo unbedeutend, für uns unbegreiflich, der Geruch iſt, welchen die Fährte eines Huhnes zurüdließ: dem Fenek entgeht es niht. Sich da! er hat die volle Überzeugung gewonnen und ſchleicht jeßt heran, faſt auf dem Bauche kriechend, unwahrnehmbar für Auge wie für Ohr. Dort, hinter dem leßten Buſche machte er Halt. Wie glühen die Augen, wie ſind die Lauſcher gebreitet und vorgeſpannt, wie gierig ſpürt er nah den ſi ſicher träumenden, ſ{lummermüden Vögeln hin. Die ganze Geſtalt iſt lebendig, und doh ſieht man keine Bewegung;