Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Landbär. Grislibär. 238

gefahren, welher durh einen Zug aus der Ferne ſo geöffnet werden konnte, daß er ih nah allen Seiten niederlegte und den Bären dann plößlich befreite. Hierauf ließ man große, ſchwere Hunde gegen ihn los. Packten ihn dieſe feſt, ſo konnte er ohne beſondere Schwierigkeiten von einem Manne abgefangen werden. Jm Dresdener Schloßhofe wurden im Jahre 1630 binnen 8 Tagen drei Bärenheßen abgehalten. Fn den beiden erſten mußten ſieben Bären mit Hunden, im dritten aber mit großen Keilern kämpfen, von denen fünf auf dem Plage blieben; unter den Bären war nur einer von 8 Zentner Gewicht. Die Bären wurden no< außerdem durh Schwärmer gereizt und vermittelſt eines ausgeſtopften roten Männhhens genarrt. Gewöhnlich fingen die großen Herren ſelbſt die von den Hunden feſtgehaltenen Bären ab; Auguſt der Starke aber pflegte ihnen den Kopf abzuſhhlagen. Selbſt in der Neuzeit werden noch hier und da ähnlihe Kämpfe abgehalten. Auf dem Stiergefehtsplaße in Madrid läßt man bisweilen Bären mit Stieren kämpfen, und in Paris heßte man noh im Anfange dieſes Jahrhunderts angekettete Bären mit Hunden. Kobell, welcher einem derartigen Schauſpiele beiwohnte, erzählt, daß der Vär die auf ihn anſtürmenden Hunde mit ſeinen mächtigen Branten re<ts und links niederſhlug und dabei fürchterlih brummte. Als die Hunde aber hißig wurden, ergriff er mehrere nacheinander, {hob ſie unter ſi und erdrückte ſie, während er andere mit \{<weren Wunden zur Seite ſchleuderte. Die Römer erhielten ihre Bären hauptſähli<h vom Libanon, erzählen aber, daß ſie deren auh aus Nordafrika und Libyen bezogen hätten. Jhre Beſchreibungen der Lebensgeſchichte des Tieres ſind mit Fabeln gemiſcht. Ariſtoteles ſchildert, wie gewöhnlih, am rihtigſten; Plinius ſchreibt ihm nach, fügt aber bereits einige Fabeln hinzu; Oppian gibt einen trefflichen Bericht über die herrlihen Bärenjagden der Armenier am Tigris, Julius Capitolinus endlih einen ſolhen über die Kampfſpiele im Zirkus, gelegentlih deren er erwähnt, daß Gordian der Erſte an einem Tage 1000 Bären auf den Kampfplaß brachte.

Der nächſte Verwandte des Landbären iſt der über ganz Nordweſtamerika verbreitete Grau- oder Grislibär, der Grizzly bear und ſcherzhaft au<h Old Ephraim der Amerifaner (Ursus cinereus, U. ferox, griseus, horribilis und canadensis). Fm Seibesbau und Ausſehen ähnelt er unſerem Bären, iſt aber größer, ſhwerer, plumper und ſtärker als dieſer. Dunkelbraune, an der Spigte blaſſe Haare, welche an den Schultern, der Kehle und dem Bauche, überhaupt am ganzen Rumpfe länger, zottiger und verworrener als bei den Landbären ſind, hüllen den Leib ein, kurze und ſehr blaſſe bekleiden den Kopf. Die Fris iſt rötlihbraun. Die Farbe des Pelzes ändert mannigfaltig ab bis zum Eiſengrau und bis zum lichten Rotbraun, jenes manchmal mit einem gewiſſen ſilberigen, dieſes mit einem goldigen Schimmer, bedingt durch ſilberweiß oder gelblih gefärbte Spißen des Oberhaares. Amerikaniſche Jäger pflegen danach den eigentlichen Grisli-, den Braun- und den Zimtbären zu unterſcheiden und halten den leßtgenannten nicht bloß für den [hönſten, ſondern auch für den gefährlichſten. Von den europäiſchen Bären unterſcheidet ſih dieſer amerikaniſche ſicher dur die Kürze ſeines Schädels und durch die Wölbung der Naſenbeine, die breite, flahe Stirn, die Kürze der Ohren und des Schwanzes und vor allem dur die rieſigen, bis 13 cm langen, ſehr ſtark gekrümmten, nah der Spiße zu wenig verſhmälerten, weißlichen Nägel. Auch die bedeutende Größe iſt ein Merkmal, welches Verwechſelungen zwiſchen den beiden Arten nicht leiht zuläßt; denn während unſer Vär nur in ſeltenen Fällen 2,2 m an Länge erreicht, wird der Grislibär regelmäßig 2,3, nicht ſelten ſogar 2,5 m lang und erreicht ein Gewicht bis zu 450 kg. Sein Verbreitungsgebiet umfaßt den Weſten Nordamerikas, in den ſüdlichen Teilen der Vereinigten Staaten etwa vom Felſengebirge, in den nördlichen (Dakota) ſhon vom Miſſouri an. Fe weiter weſtlih, um ſo häufiger tritt ex auf, beſonders in Gebirgen. Südwärts kommt er noh in den Hochländern Mexikos