Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Grislibär: Jagd. Lebensweiſe. Nahrung. 231

zierlih mit den langen Nägeln zwiſchen dem Graſe, hielt die unförmliche Tate an die Spitze ſeiner Naſe, und augenſcheinlih befriedigt von dem Geruche, ſeßte er ſie wieder auf die Erde, warf ſi< auf den Rücken und wälzte ſih mit größtem Wohlbehagen einige Male umher. Als er ſi< vom Dufte der Pflanzen, die ihn zu dem ſonderbaren Benehmen veranlaßt hatten, hinreichend dur<hdrungen glaubte, erhob er ſi, ſchüttelte die Erde aus ſeinem zottigen Pelze und ſchritt wieder fürbaß. Nach kurzer Zeit ſtand er abermals ſtill und verharrte wie nachſinnend einige Minuten regungslos; plöglich ſeßte er ſih, und den Vorderförper aufrihtend, kraßte er ſi<h abwechſelnd mit den Vordertaßen die rehte und die linke Seite, fuhr ſi< mit den Armen mehrmals über die Augen, betrachtete aufmerkſam ſeine langen Nägel le>te die Sohlen der Branten und lauſchte dann wiederum geſpannt einige Sekunden. Nachdem ex ſich dann mit den Hintertaßen die Schultern und den Hals gerieben, ſtellte er ſi<h aufre<t wie ein Menſch hin, ſchaute nac allen Seiten, ließ ſich auf alle viere nieder und verfiel dann, wie um die verlorene Zeit einzuholen, in einen kurzen Trab, der ihn bald bis in die Nähe des Hirſches brate. Kaum gewahrte er aber das tote Wild, als ex, wie von heftigem Schrece befallen, ſi auf ſeine Hinterbeine aufrichtete; ſogleich ſenkte er indeſſen ſeinen Körper wieder und betrachtete, den Kopf von der einen zur anderen Seite neigend , aufmerkſam mit krauſer Stirn und geſpißten Dhren den Gegenſtand ſeiner erſten Überraſchung. Endlich ſchritt er ganz zu dem Hirſche hin, und nachdem er ihn von der einen Seite genugſam berochen, drehte er ihn auf die andere, um auch dieſe kennen zu lernen, bei welcher Gelegenheit ex uns ſeine Geſtalt in ganzer Breite darbot. Faſt zu gleicher Zeit gaben wir Feuer. Der Bär ſtürzte zuſammen, doch ſhnaubend und winſelnd richtete er ſich ebenſo ſchnell wieder auf ſeine Hinterbeine auf. Auch ih hatte mih nah dem Schuſſe aufgerichtet; als der Jndianer aber den verwundeten Bären kampfbereit ſah, riß er mich wieder zu Boden, jedo< zu ſpät, denn das wütende Tier hatte uns erbli>t und ſtürzte vorwärts. Doch wiederum rollte es zu Boden, wie ih bemerken konnte, infolge eines gebrochenen Vorderarmes. Ohne mich weiter nah ihm umzuſehen, folgte ih dem fliehenden Indianer, der mix den Weg zu einem nahen Eichbaume zeigte. Wie ih in den Baum hineinkam, weiß ih heute noh niht, jedenfalls war noch keine Minute vergangen, als ih rittlings auf einem Aſte ſaß und mich zum Laden meiner Büchſe anſchi>te. Jch muß geſtehen, daß ih niht glaubte, daß der Bär uns nachfolgen würde, es erſchien mir ſo unähnlich allem dem, was ich bisher kennen gelernt hatte, aber kaum hatte ih das Zündhütchen aufgedrüdt, als er, auf drei Beinen gehend, niht 50 Schritt von uns auftauchte. .…. Der Indianer begann jett laut zu ſprechen, und als der Bär ſi darauf uns zuwendete, ſchoſſen wir zugleich auf ihn. Mit lautem Stöhnen ſtürzte er tödlich getroffen zuſammen, wälzte ſich no<h einige Male herum, riß mit den langen Krallen Wurzeln und Raſen aus der Erde und lag endli<h regungslos da.“

Dex Grisli nährt ſich von Pflanzenſtoffen, frißt ſehr gern Früchte, Nüſſe und Wurzeln, ſchlägt aber au<h Tiere; zudem ſoll er ſehr geſchi>t den Fiſchfang betreiben. Fn Alaska, wo ex ſehr häufig iſ, pflegt man überall auf Pfade zu ſtoßen, die er ausgetreten hat und regelmäßig beläuft, ſei es am Ufer von Gewäſſern, ſei es auf öden Flächen, in Moräſten oder in gebirgigen Gegenden; die Richtung und der Verlauf dieſer Pfade iſt ſo geſchi>t ausgewählt, daß man bloß ihnen zu folgen braucht, wenn man die kürzeſte Verbindung zwiſchen zwei Örtlichkeiten ſucht. „An den ſteilen Erhebungen der gebirgigen Küſte an der Weſtſeite von Cooks Einlaß“ ſchreibt Elliott, „kann man zuzeiten Trupps von. 20 und 30 dieſer ungeſchlachten Tiere beiſammen ſehen, wie ſie dort Beeren und Wurzeln nachgehen. Doh ſind ihre Felle niht beſonders wertvoll, weil ſie grob und ungleich behaart, ruppig ſind. Da ſie auch ſehr wild ſind, werden ſie niht allgemein gejagt, außer von den Kenaileuten, welche, gleich allen übrigen eingeborenen Jägern, ihnen hohe Achtung bezeigen