Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

938 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſechſte Familie: Bären.

und die Gewohnheit haben, einem Bären erſt Lobreden zu halten, bevor ſie ihn töten oder ihn zu erlegen verſuchen. Da die Eingeborenen ſi ferner ſcheuen, die Stellen zu betreten, wo vulkaniſche Kräfte thätig ſind, bildet die Umgebung von Kratern, heißen Quellen und Dampſlöchern eine Zufluchtsſtätte für wilde Tiere, beſonders für Bären, die alle re<t gut wiſſen, daß der Menſch ſie dort niht zu beläſtigen pflegt.“

Ein junger Graubär kann leiht gezähmt werden und iſt, wie unſer Bär, für einige Zeit ein ganz umgängliches und beluſtigendes Tier. Sein Fell iſt troß ſeiner Länge und Die ſo fein und ſ{<mu> von Farbe, daß es den kleinen Geſellen recht gut kleidet. Palliſer, welcher einen Grisli mit nah Europa brachte, rühmt ſeinen Gefangenen ſehr. Er aß, trank und ſpielte mit den Matroſen und erheiterte alle Reiſenden, ſo daß der Kapitän des Schiffes ſpäter unſerem Jäger verſicherte, er würde ſehr erfreut ſein, wenn er für jede Neiſe einen jungen Bären bekommen könnte. Dasſelbe Tier hatte eine merkwürdige Freundſhaft mit einer leinen Antilope eingegangen, welche ein Reiſegenoſſe von ihm wax, und verteidigte ſie bei einer Gelegenheit in der ritterlihſten Weiſe. Als die Antilope vom Schiffe aus dur die Straßen geführt wurde, kam ein gewaltiger Bulldogg auf ſie zugeſtürzt und ergriff ſie, ohne ſih im geringſten um die Zurufe und Sto>ſ<hläge der Führer zu kümmern. Zum Glü> ging Palliſer mit ſeinem Bären denſelben Weg, und kaum hatte leßterer geſehen, was vorging, als er ſi mit einem Ruke befreite, im nächſten Augenbli>e den Feind ſeiner Freundin am Kragen hatte und ihn dermaßen abſtrafte, daß er kläglih heulend davonlief.

Gefangene Grislis unterſcheiden ſi<h in ihrem Weſen und Betragen niht merkbar von ihrem europäiſchen Verwandten. Fn dem Londoner Tiergarten befanden ſih zwei, welche auh einmal in der Tierheilkunde eine große Rolle ſpielten. Sie wurden in ihrer Jugend von einer heftigen Augenentzündung befallen, infolge deren ſie erblindeten. Man beſ<hloß, ſie zu heilen. Nachdem man beide Kranken voneinander getrennt hatte, legten die Wärter jedem ein ſtares Halsband an und zogen an Stricken den Kopf des Rieſenbären dicht an das Gitter heran, um ihm ohne Furcht den mit Chloroform getränkten Shwamm unter die Naſe halten zu können. Die Wirkung war eine unverhältnismäßig raſche und ſichere. Nach wenigen Minuten {hon lag das gewaltige Tier ohne Beſinnung und ohne Bewegung wie tot in ſeinem Käfige, und der Augenarzt konnte jeßt getroſt eintreten, das furchtbare Haupt na< Belieben zurehtlegen und ſein Werk verrichten. Als man eben die Verdunkelung des Käfigs bewirkt hatte, erwachte das Tier, taumelte no< wie betrunken hin und her und ſchien um ſo unſicherer zu werden, je mehr es zu Beſinnung kam. Mit der Zeit aber ſchien es zu bemerken, was mit ihm während ſeines Totenſchlafes geſchehen war, und als man es nah wenigen Tagen wieder unterſuchte, war es ſih ſeiner wiedererlangten Sehfähigkeit bewußt geworden und ſchien ſih jezt ſihtli<h an dem Lichte des Tages zu erfreuen oder wenigſtens den Gegenſaß zwiſchen der früheren dauernden Nacht und dem jeßigen hellen Tage zu erkennen.

Der erlegte Grisli wird wie unſer Landbär verwendet; ſein Fell gilt, laut Lomer, je nah Größe und Schönheit, bis zu 250 Mark.

Der bekannteſte Bär Amerikas, der Baribal, Muskwa oder Shwarzbär (Ursgus americanus), ein weitverbreitetes und verhältnismäßig gutmütiges, wenigſtens ungleich harmloſeres Tier als Grau- und Landbär, erreicht eine Länge von höchſtens 2 m bei einer Schulterhöhe von etwas über 1 m. Vom Landbären unterſcheidet er ſih hauptſählih durch den ſ{<hmäleren Kopf, die ſpizere, von der Stirn nicht abgeſeßte Shnauze, die ſehr furzen Sohlen und durch die Beſchaffenheit und Färbung des Pelzes. Dieſer beſteht aus langen, ſtraffen und glatten Haaren, welche nur an der Stirn und um die Schnauze