Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

242 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<ſte Familie: Bären.

er weit weniger zuzuſeßen hatte als die beiden erſten Jungen, welche ſehr wohlgenährt angekommen waren.

Gefangene Baribals geben fortwährend Gelegenheit, zu beobahten, wie leiht und ge\chi>t ſie Élettern. Wenn ſie durh irgend etwas erſhre>t werden, ſpringen ſie mit einem Sate ungefähr 2 m hoch bis zu den erſten Zweigen des glatten Eichenſtammes empor und ſteigen dann mit größter Schnelligkeit und Sicherheit bis zu dem Wipfel hinauf. Einmal ſprang die alte Bärin über den Wärter, welcher ſie in die Zelle einzutreiben verſuchte, hinweg und auf den Baum. Die ganze Familie ſieht man oft in den verſchiedenartigſten, ſheinbar höchſt unbequemen Stellungen auf den Äſten gelagert, und einige halten in Aſtgabeln oft ihren Mittags\chlaf. Die Stimme hat mit der unſeres Landbären Ähnlichkeit, iſt aber viel ſ{<wächer und kläglicher. Ein eigentlihes Gebrüll oder Gebrumm habe i< nie vernommen. Aufregungen aller Art drückt der Baribal, wie ſein europäiſcher Verwandter, dur Schnaufen und Zuſammenklappen der Kinnladen aus. Jm Zorne beugt er den Kopf zur Erde, ſchiebt die Lippen weit vor, ſchnauft und ſchielt unentſchieden um ſi<h. Sehr ergößlih iſt die Haltung dieſer Bären, wenn ſie aufre<ht ſtehen. Die kurzen Sohlen er\<weren ihnen dieſe Stellung entſchieden, und ſie müſſen, um das Gleichgewicht herzuſtellen, den Rücken ſtark einwärts krümmen. Dabei tragen ſie die Vorderarme gewöhnlich jo hoc, daß der Kopf nicht auf, ſondern zwiſchen den Schultern zu ſißen ſcheint, und ſo nimmt ſih die Geſtalt hö<ſt ſonderbar aus.

Durch Freigebigkeit wohlwollender Freunde können Baribals ſehr verwöhnt werden. Sie wiſſen, daß ſie gefüttert werden, und erinnern denjenigen, welcher vergeſſen ſollte, ihnen etwás zu reichen, dur< klägliches Bitten daran. So gewöhnen ſie ſih eine Bettelei an, welcher niemand widerſtehen kann; denn ihre Stellungen mit den ausgebreiteten Armen ſind ſo drollig und ihr Gewinſel ſo beweglich, daß es jedermanns Herz rühren muß. Baribals, welche Graf Görg beſaß, unterſuchten die Taſchen der Leute nach allerhand Le>ereien und beläſtigten den Unglülichen, welcher nichts für ſie mitgebracht hatte, auf das äußerſte.

Das Fell des Baribals hat, nah Lomex, einen Wert von 60—250 Mark.

Einer der aſiatiſchen Vertreter der Gattung iſt der Kragenbär, der ſ<warze Himalajabär der engliſhen Jäger, Kuma der Japaner, Kimui-Kamui der Ainos, Wiogene der Birar-Tunguſen, in Jndien Rin, Bhalu, Sonar, Dom, Sona 2c. genannt (Ursus torquatus, U. tibetanus, U. gedrosianus und japonicus [?]. Helarctos tibetanus). Seine Geſtalt iſt verhältnismäßig \ſ{hlank, der Kopf ſpibſchnäuzig, auf Stirn und Naſenrücken faſt geradlinig, die Ohren ſind rund und verhältni8mäßig groß, die Beine mittellang, die Füße kurz, die Zehen mit kurzen, aber kräftigen Nägeln bewehrt. Behaarung und Färbung ſcheinen ziemlih bedeutenden Abänderungen unterworfen zu ſein, falls ſich die Angaben wirklich auf ein und dasſelbe Tier und niht auf zwei verſchiedene Arten beziehen. Cuvier, wel<her den von Duvaucel in Aſſam entde>ten Bären zuerſt beſchrieb, gibt an, daß der Pelz, mit Ausnahme einer zottigen Mähne am Halſe, glatt und bis auf die weißliche Unterlippe und die weiße Bruſtzeichnung ſowie die rötlihen Shnauzenſeiten gleichmäßig ſ{hwarz ſei. Die Bruſtzeichnung wird mit einem XF verglichen; ſie bildet ein Querband in der Schlüſſelbeingegend, von welchem ſih in der Mitte nah der Bruſt zu in der Negel ein Stiel oder Streifen abzweigt. Wagner ſah einen Kuma lebend in einer Tierſchaubude, deſſen Schnauze bräunlich gefärbt war, während ſi ein gleichgefärbter Fle>en über jedem Auge zeigte. Der Kragenbär erreicht bei 80 em Schulterhöhe eine Länge von 1,7—1,s m und ein Gewicht bis zu 120 kg.

Es iſt immerhin möglich, daß die „Mondfle>bären“ der Japaner von jenen des Feſtlandes zu trennen ſind, bis jeßt fehlen jedo<h genügende Beobachtungen, als daß wir ein