Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

244 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<hſte Familie: Bären.

Grenze Perſiens, ferner umfaßt es vielleiht das Terai und das bengaliſche Tiefland und reiht ſüdoſtwärts ſicher bis Pegu, wo Theobald das Vorkommen des Kragenbären no< feſtſtellte, obwohl er dort niht gemein iſt. '

Über Lebensweiſe und Betragen verdanken wir Adams, Kinloc<h, NRadde und anderen Mitteilungen. Jn Nordindien und Kaſchmir bewohnt der Kragenbär am liebſten Walddi>ichte in der Nähe von Feldern und Weinbergen, in Südoſtſibirien dagegen die hochſtämmigen Waldungen. Als vorzüglicher Kletterer erklimmt er mit Leichtigkeit die höchſten Bäume; die Birar- Tunguſen verſicherten Radde, daß er überhaupt ſelten zum Boden herabkomme, im Sommer in den Baumkronen dur Aneinanderbiegen und Verſhlingen von Zweigen ſih kleine Lauben mache und im Winter in ſißender Stellung in hohlen Bäumen ſ{hlafe. Die Lauben ſelbſt hat Nad de wiederholt geſehen, von den Eingeborenen jedo<h auh erfahren, daß ſie nux als Spielereien, niht aber als Wohnungen zu betrachten ſeien. Jm Himalaja ſ<heint über ſolche Bauthätigkeit nihts bekannt zu ſein, wohl aber ſtimmt Adams darin mit Radde überein, daß der Kragenbär zu den beſten Kletterern innerhalb ſeiner Familie zählt; denn wenn in Kaſhmir die Walnüſſe und Maulbeeren reifen, beſteigt ex die höhſten Bäume, um dieſe Früchte zu plündern. Außerdem erſcheint er als unliebſamer Beſucher in Maisfeldern und Weingärten und thut hier oft ſo großen Schaden, daß die Feldbeſißer ſi genötigt ſehen, Wachtgerüſte zu errihten und dieſe mit Leuten zu beſezen, wel<he dur lautes Schreien die ſih einſtellenden Vären in die Flucht zu ſcheuchen verſuchen. Die Birar-Tunguſen erzählten Radde, daß der Kragenbär feig und gefahrlos ſei, weil er einen kleinen Rachen habe und nur beißen, niht aber reißen könne wie der Landbär; Adams aber erfuhr auh das Gegenteil und verſichert, daß er von den Gebirgsbewohnern Fndiens aus guten Gründen rect gefürchtet werde. Kinlo<h bekräftigt dieſe Angaben nah ſeinen Erfahrungen im Himalaja und betrahtet unſer Tier als einen gelegentlih re<t gefährlichen Gegner, der jedenfalls hon manchen weißen Jäger und no< mehr Eingeborene umgebracht habe; unter leßteren begegne man überdies vielen, welche von ihm erhaltene Wunden aufweiſen könnten. Dennoch ſei anzunehmen, daß in der Regel bloß verwundete oder in die Enge getriebene oder unverſehens in ihrer Ruhe überraſchte angreifen werden. Blanford bezeichnet ihn als den fleiſhgierigſten aller indiſchen Vären, der niht bloß Kleinvieh und Hirſche, ſondern auh Rinder und Pferde ſchlage, gelegentlih auh Aas freſſe, dennoch aber hauptſächlich von Pflanzenkoſt lebe, beſonders von Wurzeln und Früchten, von denen er Eicheln zu bevorzugen ſcheint; au< den Honig ſoll er ſehr lieben. Bezüglich ſcines Winterſchlafes im Himalajagebiete ſtimmen die Angaben niht überein, man darf aber annehmen, daß er weniger regelmäßig als der gemeine Landbär ſeine Winterruhe abhält.

Bei ſeinen nächtlichen Ausflügen flüchtet er regelmäßig vor dem Menſchen. Sobald er einen ſolchen wittert, und er ſoll dies auf große Entfernung vermögen, ſ<nüffelt er in die Luft, bekundet ſein Erregtſein, geht einige Schritte in der Richtung, aus welcher der Wind kommt, weiter, erhebt ſich, bewegt das Haupt von einer Seite zur anderen, bis er von der ihm drohenden Gefahr ſich vergewiſſert zu haben glaubt, macht dann kehrt und eilt davon mit einer Schnelligkeit, welhe demjenigen unglaublich dünkt, der ihn nur im Käfig kennen gelernt hat. Wird er auf einem Felſenpfade plößlich erſhre>t, ſo rollt er ſich zu einem Ballen zuſammen und über den Abhang hinab, wie Adams ſelbſt geſehen zu-haben verſichert, manchmal über 300 m weit. Bei Begegnungen mit dem Landbären foll übrigens nicht er, ſondern dieſer zuerſt den Rücken kehren, ob gerade aus Furcht, muß dahingeſtellt bleiben, da die Eingeborenen auh von einem nicht feindſchaftlichen Verhältnis zwiſchen beiden zu berihten wiſſen. Wenn beide Bären, ſo erzählen ſie, im Herbſte gemeinſchaftlih die tieferen Waldungen bewohnen, folgt der Landbär ſeinem Verwandten und wartet, da