Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Biruang. Eisbär. 247

geben und nach Belieben im Gehöfte umherſtreifen laſſen dürfe. Sir Stamford Naffles, welcher einen dieſer Bären beſaß, konnte ihm den Aufenthalt in der Kinderſtube geſtatten und war niemals genötigt, ihn dur< Anlegen an die Kette oder dur<h Schläge zu beſtrafen. Mehr als einmal kam er ganz artig an den Tiſch und bat ſih etwas zu freſſen aus. Dabei zeigte er ſih als ein echter Gutſhme>er, da er von den Früchten bloß Mangos verzehren und nur Shaumwein trinken wollte. Der Wein hatte für ihn einen unendlichen Reiz, und wenn er eine Zeitlang ſein Lieblingsgetränk vermiſſen mußte, ſchien er die gute Laune zu verlieren. Aber dieſes vortreffliche Tier verdiente auh ein Glas Wein. Es wurde im ganzen Hauſe geliebt und geehrt und betrug ſih in jeder Hinſicht muſterhaft; denn es that niht einmal dem kleinſten Tiere etwas zuleide. Mehr als einmal nahm es ſein Futter mit dem Hunde, der Kate und dem kleinen Papagei aus einem und demſelben Gefäße. Auch McMaſter berichtet in ähnlicher Weiſe von einem Lieblinge, den er in Barma erhalten hatte, und der mit einem zahmen Otter ſowie mit einem großen weißen Pudel in beſter Freundſchaft lebte. Dieſer Bär war nicht zu bewegen, Fleiſch in irgend welcher Geſtalt oder Zubereitung zu ſi< zu nehmen; ein zweiter zahm gehaltener liebte es ungemein, Kirſchbranntwein zu trinken. Noch ein anderer Biruang war gewöhnt worden, ebenſogut tieriſche wie Pflanzennahrung zu ſi zu nehmen. Lettere behagte ihm jedoh immer am beſten, und Brot und Milch bildeten entſchieden ſeine Lieblingsſpeiſe. Davon konnte ex in einem Tage mehr als 5 kg verbrauchen. Die Speiſen nahm er auf ſehr eigentümliche Weiſe zu ſich, indem er ſih auf die Hinterſüße ſezte, die lange Zunge unglaublih weit herausſtre>te, den Biſſen damit faßte und durch plöbliches Einziehen in den Mund brachte. Während dies geſchah, führte er die ſonderbarſten und auffallendſten Vewegungen mit den Vordergliedern aus und wiegte ſeinen Körper mit unerſ<höpfliher Ausdauer von der einen Seite zur anderen. Seine Bewegungen waren auffallend raſh und kräftig und ließen vermuten, daß er im Notfalle einen umfaſſenden und wirkſamen Gebrauch ſeiner ſtarken Glieder machen könne.

Ganz anders, wenigſtens ſoweit meine Erfahrungen reichen, zeigt ſih der Biruang bei uns als Käfiggefangener. Als ſolchen habe i<h ihn mehrfa<h geſehen und wiederholt gepflegt: er erſcheint dumm, aber nichts weniger als gutmütig, eher verſtoët und tüdiſch. Der beſten Pflege ungeachtet befreundet er ſih ſelten mit ſeinem Wärter. Er nimmt das ihm vorgehaltene Brot ſcheinbar mit Dank an, zeigt aber durchaus keine Erkenntlichkeit, ſondern eher Luſt, dem Nahenden gelegentlih einen Taßenſchlag zu verſezen. Strafen fruhten gar nihts. Sehr widerlihh iſt ſeine Unreinlichkeit, niht minder unangenehm ſeine unbezähmbare Sucht, alles Holzwerk ſeiner Käfige zu zernagen. Ex zerfrißt Balken und die Eichenſtämme und arbeitet dabei mit einer Unverdrofſenheit, welche einer beſſeren Sache würdig wäre.

Auch von dieſem Bären wird das Herz und namentlich die Galle als Arznei geſchäßt und, laut Bo>,/ auf Sumatra von chineſiſchen Kaufleuten gut bezahlt. Auf Borneo verwenden die Dajaken das Fell zur Anfertigung von Kopfbede>ungen.

Wenn nah der Anſicht einiger Naturforſcher die ziemlih geringen Unterſchiede in der Geſtalt und Lebensweiſe unſerer Landbären ſchon hinreichend erſcheinen, um ſie eigenen Arten einzureihen, erklärt es ſih, daß man den Eisbären (Ursus maritimus, VU. marinus, polaris und albus, Thalassarctos maritimus und polaris) als Vertreter einer ſelbſtändigen Gattung betrachtet hat. Die erſten Seefahrer, welche von ihm ſprechen, glaubten in ihm freilih bloß eine Abart unſeres Meiſter Peb zu entde>en, deſſen Fell der kalte Norden mit ſeiner ihm eigentümlichen Schneefarbe begabt habe; dieſer Jrrtum währte jedoch. niht lange, weil man ſehr bald die weſentlihen Unterſchiede wahrnahm, welche zwiſchen dem Land- und dem Eisbären beſtehen. Lebterer unterſcheidet ſich von den bis jeßt genannten