Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

248 Vierte Ordnung: Raubtiere; ſe<ſte Familie: Bären.

Arten der Familie durc den geſtre>ten Leib mit langem Halſe und kurzen, ſtarken und kräftigen Beinen, deren Füße weit länger und breiter ſind als bei den anderen Bären, und deren Zehen ſtarke Spannhäute faſt bis zur Hälfte ihrer Länge miteinander verbinden. Er iſt der bei weitem größte aller Bären; denn bei einer Schulterhöhe von 1 3—1 4 m erreicht er eine Länge von 2,5—2,8 m und ein Gewicht bis zu 600 kg ja in recht feiſtem Zuſtande bis an 800 ks. Roß wog ein Männchen, welches, nachdem es etwa 12 ks Blut verloren hatte, no< immer 513 kg ſ<wer wax, und Lyon beſtimmte das Gewicht eines anderen zu 725 kg. Von 17 Eisbären, die in der Beringſtraße und benahbarten Gebieten erlegt wurden, näherten ſi, laut Pehuel-Loeſche, 5 dem oben angegebenen höchſten Gewichte; ein ſtarker Bär liefert in ſeiner beſten Zeit allein an 180 kg Fett.

Der Leib des Eisbären iſ weit plumper, aber dennoch geſtre>ter, der Hals bedeutend dünner und länger als bei dem gemeinen Bären, der Kopf länglich, niedergedrü>t und verhältnismäßig {hmal, das Hinterhaupt ſehr verlängert, die Stirn platt, die hinten die Schnauze vorn ſpit; die Ohren ſind klein, kurz und fehr gerundet, die Naſenlöher weiter geöffnet und die Rachenhöhle minder tief geſpalten als bei dem Landbären. An den Beinen ſigen bloß mittellange, die und krumme Krallen; der Schwanz iſt ſehr kurz, di> und ſtumpf, kaum aus dem Pelze hervorragend. Die lange, zottige, reiche und dichte Behaarung beſteht aus kurzer Wolle und aus ſ<hlihten, glänzenden, weichen und faſt wolligen Grannen, welche am Kopfe, Halſe und Rü>ken am kürzeſten, am Hinterteile, dem Bauche und an den Beinen am längſten ſind und auch die Sohlen bekleiden. Auf den Lippen und über den Augen befinden ſi< wenige Borſtenhaare; den Augenlidern fehlen die Wimpern. Mit Ausnahme eines dunkeln Ninges um die Augen, des na>ten Naſenendes, der Lippenränder und der Krallen, trägt der Eisbär ein Schneekleid, welches bei den jungen Tieren von reinem Silberweiß iſt, bei älteren aber, wie man annimmt, infolge der thranigen Nahrung einen gelblichen Anflug bekommt. Die YJahreszeit übt niht den geringſten Einfluß auf die Färbung aus. Der Eisbär bewohnt den höchſten Norden der Erde, den eigentlichen Eisgürtel des Poles, und findet ſi< bloß da, wo das Waſſer einen großen Teil des Fahres hindur< oder beſtändig, wenigſtens teilweiſe, zu Cis erſtarrt. Wie weit er nah Norden hinauſgeht, konnte bisher noh nicht ermittelt werden; ſoweit der Menſh aber in jenen unwirtlihen Gegenden vordrang, hat er ihn als lebensfriſ<hen Bewohner des lebensfeindlihen Erdgürtels gefunden, während er nah Süden hin bloß ausnahmsweiſe noh unter dem 55. Grade nördlicher Breite bemerkt worden iſt. Er gehört keinem der drei nördlichen Erdteile aus]chließli, ſondern allen nördlihen Erdteilen gemeinſchaftlih an. Von keinem anderen Weſen beirrt oder gefährdet, der eiſigſten Kälte und den fürchterlichſten, uns ſchier undenkbaren Unwettern ſorglos troßend, ſtreift er dort dur<h Land und Meere über die eiſige Dede des Waſſers oder dur die offenen Wogen, und im Notfalle muß ihm der Schnee ſelbſt zur Dede, zum Schuße, zum Lager werden. An der Oſtküſte von ganz Amerika, um die Baffin- und Hudfonbai herum, in Grönland und Labrador, auf Spißbergen und anderen Fnſeln iſt er gemein und ebenſowohl auf dem feſten Lande wie auf dem Treibeiſe zu erbli>en. Fn Aſien iſt die Fnſel Nowaja Semlja ſein Hauptſiß; aber auh auf Neuſibirien, ſelbſt auf dem Feſtlande, bemerkt man ihn, obgleich bloß dann, wenn er auf Eisſchollen angetrieben wird. So landet er auh man<hmal in Lappland und kommt auh nah Jsland. Jn Amerika zeigt er ſih da am häufigſten, wo der Menſch ihm am wenigſten nachſtellt. Nach Ausſagen der Eskimos, ſeiner hauptſächlihſten Feinde, erſcheint er auf dem Feſtlande nur in ſeltenen Fällen jenſeits des Ma>enziefluſſes, verbreitet ſi< ſomit weit weniger im Weſten Amerikas als im Oſten. Nach Süden hinab geht er bloß unfreiwillig, wenn ihn große Eisſchollen dahintragen. Man hat häufig Eisbären geſehen, welche auf dieſe Weiſe mitten im ſonſt eisfreien Waſſer und weit von den Küſten entfernt dahintrieben. Fm allgemeinen ziehen ſie ſih jedoch