Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

76 Zehnte Ordnung: Unpaarzeher; erſte Familie: Pferde.

Mauleſel aber, wenn die Mutter zum Eſelgeſchlehte zählte. Beide haben in ihrer Geſtalt mehr von der Mutter als vom Vater, in ihrem Weſen aber mehr von dieſem als von jener ererbt.

Das Maultier (Vquus mulus) kommt an Größe faſt dem Pferde gleich und iſt ihm auh ähnlich gebildet, aber dur< die Form des Kopfes, die Länge der Ohren, den an der Wurzel kurz behaarten Schwanz, die mächtigen Schenkel und die ſ{<hmäleren Hufe, welche an den Eſel erinnern, unterſchieden. Jn der Färbung ähnelt es regelmäßig der Mutter. Es röhrt wie ſein Herr Vater.

Der Mauleſel (Equus hinnus) behält die unanſehnliche Geſtalt, die geringe Größe und die langen Ohren ſeiner Mutter, empfängt vom Pferde nur den dünneren und längeren Kopf, die volleren Schenkel, den ſeiner ganzen Länge nah behaarten Schwanz und die wiehernde Stimme, von ſeiner Mutter hingegen außer der Geſtalt auh die Trägheit.

Pferde und Eſel kreuzen ſih niht freiwillig, und es bedarf deshalb die Maultierzucht immer der menſ<hli<hen Beihilfe. Gerade unter den Pferden und Eſeln, welche in größerer Freiheit leben, hat man einen Haß zwiſchen beiden beobachtet, welcher bis zu erbitterten Kämpfen ausartet. Die Kreuzung erfordert mannigfaltige Vorbereitung und beſondere Kunſtgriffe. Der Eſel paart ſi leicht mit der Stute, nicht ſo aber dieſe mit ihm oder der Hengſt mit der Eſelin. Gewöhnlich verbindet man der Stute, welche dur< einen Eſel beſ<lagen werden ſoll, die Augen, damit ſie den ihr aufgedrungenen Liebhaber niht ſchen kann; auh führt man ihr erſt ein {hönes Pferd vor und vertauſcht dieſes dann mit dem Eſel. Mit dem Pferdehengſte muß man dasſelbe thun, was man mit der Stute that. Weit leichter gelingt es, Pferd und Eſel zur Paarung zu bringen, wenn man beide von Jugend auf aneinander gewöhnt, alſo zuſammen aufgezogen hat. Hierdur< verlieren die Tiere einen guten Teil der natürlihen Abneigung. Bereits die alten Römer ſorgten dafür, daß Eſel und Pferde, welche zur Maultierzuht benußt werden ſollten, ununterbrochen beiſammen lebten; die Spanier und Südamerikaner wenden dieſes Verfahren noh heute an. So gibt man die jungen Eſelsfohlen wenige Tage, na<hdem ſie geboren ſind, ſäugenden Pſerdeſtuten bei, deren Mutterliebe in den meiſten Fällen bald alle Abneigung gegen das aufgedrungene Pflegekind beſiegt. Zwiſchen der Alten und dem Säuglinge bildet ſih na< turzer Zeit eine innige Anhänglichkeit aus, welche ſo weit gehen kann, daß der junge Eſel gegen ſeinesgleihen einen größeren Widerwillen zeigt als gegen Pferde. Fn Südamerika ſoll es Eſelhengſte geben, welche durchaus niht mehr zu einer Paarung mit Eſelinnen zu bringen ſind.

Eigentümlich iſt das Benehmen dieſer von Pferden bemutterten Eſelhengſte. Die Südamerikaner überlaſſen die Eſelinnen auf den ausgedehnten Weiden einzig und allein der Führung ihrer Hengſte, und dieſe üben au< das ihnen übertragene Amt mit der größten Gewiſſenhaſtigkeit aus. Nicht ſo thun jene. Sie werden bald faul und laufen anſtatt der Herde voran, hinter den Stuten her, gleihſam als wollten ſie ſi< no< jebt bemuttern laſſen. Man iſt deshalb gezwungen, die zur Maultierzucht beſtimmten PVferdeſtuten von unvollkommen verſchnittenen Pferdehengſten führen zu laſſen. Eine der notwendigſten Bedingungen zur Maultiezzucht iſt: beſondere Pflege der trähtigen Pferde- und Eſelſtuten; denn die Natur rächt ſih wegen der gewaltſamen Eingriffe in-ihre Geſeße. Gerade bei den dur Eſel beſhlagenen Pferdeſtuten oder umgekehrt bei den dur Pferde belegten Eſelinnen kommen Fehlgeburten am häufigſten vor. Die Pferdeſtute trägt das Maultier etwas länger als ihr eigenes Fohlen; das neugeborne Maultier ſteht aber viel eher auf den Beinen als das junge Pferd; dagegen währt die Zeit ſeines Wachstums länger als beim Pferde. Unter 4 Fahren darf man kein Maultier zur Arbeit anhalten; dafür währt ſeine Kraft jedo<h regelmäßig bis in das 20. und 30., niht ſelten ſogar bis in das 40. Fahr.