Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Maultiex und Mauleſel: Kreuzung. Leiſtungen. 77

Wegen der größeren Nußbarkeit züchtet man faſt ausſcließli< Maultiere. Nur in Spanien und Abeſſinien habe ih Mauleſel geſehen; hier ſchien es gar keine Maultiere zu geben. Jn Perſien häßt man ſie minder, in Turkmenien aber züchtet oder hält man, laut A. Walter, Maultiere oder Mauleſel niemals; „man ſieht ſie“, berichtet unſer Gewährsmann, „in Transkaſpien einzig in Askabad unter den von Meſched einrü>enden perſiſchen Karawanen.“ Das Maultier vereinigt die Vorzüge ſeiner beiden Eltern in ſih. Seine Genügſamkeit und Ausdauer, ſein ſanfter, ſicherer Tritt ſind Erbteile des Eſels, ſeine Kraft und ſein Mut ein Geſchenk ſeiner Mutter. Jn allen Gebirgsländern hält man die Maultiere für unentbehrlih; in Südamerika ſind ſie dasſelbe, was dem Araber die Kamele. Ein gutes Maultier trägt eine Laſt von 150 kg und legt mit ihr tägli<h 20—28 km zurü>. Dabei bemerkt man ſelbſt nach längerer Reiſe kaum eine Abnahme der Kräfte, auh wenn das Futter nur ſpärlih und ſo ſ{hlect iſt, daß ein Pferd es gar nicht genießen würde. Fn Braſilien iſt, laut Tſchudi, das Maultier für den Warenverſand wie für den Reiſenden von unbezahlbarem Werte. „Seine Stärke, Ausdauer, Klugheit und Sicherheit ſind Eigenſchaften, welche ihm für dieſe Beſtimmung einen großen Vorzug vor dem weit edlern Pferde geben. Es iſt eine durhaus nicht zu gewagte Behauptung, daß ohne das Maultier die Stufe dex Bildung und Geſittung in einem großen Teile Südamerikas eine weit niedrigere wäre, als ſie heutzutage iſt. Allerdings läßt ſi< niht in Abrede ſtellen, daß die Tiere auh viele Untugenden haben, welche ihre Behandlungen für nicht an ſie gewöhnte Fremde ſehr erſchweren und ausnehmend viele Geduld erfordern; aber dieſe Untugenden treten voll: fommen in den Hintergrund im Vergleiche mit ihren außerordentlichen Vorzügen bei langen und beſchwerlichen Reiſen.“

Tſchudi, welcher mit den Maultiertreibern und ihren Tieren in vielfahe Berührung gekommen iſt, ſchildert in ebenſo ausführlicher wie belehrender Weiſe beider Leben und Wirken. Seiner Darſtellung will ih das Nachſtehende entnehmen: Der braſiliſhe Maultiertreiber, Tropeiro genannt, bewerkſtelligt mit ſeinen Maultiertruppen den Warenverkehr zwiſchen den verſchiedenen Landesteilen. Er bringt aus den entfernteſten Gegenden des Reiches die Erzeugniſſe des Bodens und des Gemwerbfleißes nah der Küſte und führt von hier aus Gegenſtände des täglichen Bedarfes und des Luxus zurü>, iſt der Vermittler des Handels und des Geldverkehrs und ſpielt daher im Staatshaushalte eine niht unbedeutende Rolle. Er hat von der Pike auf gedient, iſt ſhon als Knabe mit den Tropas oder Maultierzügen gegangen und vereinigt alle zu ſeinem ſ{hweren und mühſeligen Geſchäfte erforderlichen Eigenſchaften in ſich: Mut, Entſchloſſenheit, Kraft, Gelenkigkeit, Geiſtesgegenwart, zähe Ausdauer und größte Genügſamkeit. Einige A>er und Weiden und ſeine Maultiere ſind ſein Beſißtum, lettere auh ſein Stolz.

Jede Tropa wird in kleinere Abteilungen von je 8, in den ſüdlichen Provinzen von je 10—12 Tieren zuſammen- und unter Auſſicht eines Treibers geſtellt. Dieſe Züge, welche ſih in gewiſſen, niht allzu geringen Abſtänden folgen, gehen während der Reiſe reihenweiſe hintereinander: jedes einzelne Maultier nimmt dabei denſelben Plaß regelmäßig ein, und faſt mit pünktlicher Genauigkeit tritt das folgende in die Fußſtapfen des vorherſchreitenden. Ein Leittier, Madrinha genannt, führt die ganze Tropa an. Es iſt das ſchönſte, kräftigſte und erfahrenſte Maultier von allen und auch äußerlich durch ſein prächhtiges Geſchirr ausgezeihnet. Auf dem Kopfe trägt es einen roten und bunten Buſch von Baummwolle, auf dem Stirnriemen ein großes, ſilbernes Schild mit dem Namenszuge ſeines Eigeners; an einem eigentümlichen Geſtelle ſind eine Anzahl helltönender Glö>lein angebracht, welche bei jeder Bewegung des Kopfes luſtig klingen, und das ganze Leder des Kopfzeuges und Bruſtriemens, zuweilen auch des Hinterzeuges, iſt mit großen oder kleinen ſilbernen Zieraten bede>t.