Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Nashorn: Wachstum. Freunde und Feinde 115

Stumpfnashorne einen dienſtwilligen Vogel, den Madenhaker, welcher die Rieſen während des ganzen Tages treu begleitet, gewiſſermaßen Wächterdienſte bei ihnen verrichtet und ſih von dem Ungeziefer nährt, von welchem dieſe Tiere wimmeln; er hält ſih deshalb immer in unmittelbarer Nähe der Tiere oder auf ihrem Leibe ſelbſt auf. Dieſe Vögel ſind die beſten Freunde, wel<he das Nashorn hat, und verfehlen ſelten, es zu warnen, wenn Gefahr droht. Selbſtverſtändlih finden die Vögel Anerkennung für ſolche treue Begleitung, denn auch das ſtumpfſinnigſte Säugetier muß die Wohlthaten erkennen, welche ſie ihm dur< Ableſen der es peinigenden Kerfe bereiten. Ob aber bei Annäherung des Menſchen die Vögel ihr Weidetier geradezu in das Dhr piden, um es aufzuwe>en, will ih gern dahingeſtellt ſein laſſen; ih glaube eher, daß ſhon die allgemeine Unruhe, welche ſie kundgeben, wenn ſi<h ihnen etwas Verdächtiges zeigt, hinreichend iſt, um das Nashorn aufmerkſam zu machen. Daß beſonders vorſichtige Vögel von anderen Tieren als Vorpoſten und Warner anerkannt und beachtet werden, wiſſen wir beſtimmt.

Außer dem Menſchen dürfte das Nashorn nicht viele Feinde haben. Löwen und Tiger meiden das Tier, weil ſie wiſſen, daß ihre Krallen doh zu ſ{hwach ſind, um durch deſſen dice Panzerhaut tiefe Wunden zu reißen; einem von der Mutter getrennten Kalbe mögen ſie freilih gefährlih werden. Das Nashorn fürchtet andere kleine Tiere weit mehr als die großen Räuber und hat namentlich in einigen Bremſen und in den Mü>ken ſ{hlimme Feinde, gegen welche es kaum etwas unternehmen kann. Überall iſt wohl der gefährlichſte Feind des Nashornes der Menſch. Alle Völkerſchaften, in deren Gebieten die plumpen Geſchöpfe vorkommen, und auh europäiſche Jäger ſtellen ihnen eifrig nah. Man hat gefabelt, daß die Panzerhaut für Kugeln undurhdringlih ſei; do<h unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß ein Meſſer, eine Lanze, ſelbſt ein kräftig geſchnellter Pfeil ſie durchdringt. Die eingeborenen Jäger ſuchen das Nashorn während des Schlafes unter dem Winde zu beſchleichen und werfen ihm ihre Lanze in den Leib oder ſeßen ihm die Mündung des Gewehrlaufes faſt auf den Rumpf, um den Kugeln ihre volle Kraft zu ſichern. Die Abeſſinier gebrauchen Wurfſpieße, ſhleudern davon aber man<hmal 50—60 auf ein Nashorn. Wenn es etwas erſ<öpft vom Blutverluſte iſt, wagt ſih einer der Kühnſten an das Tier heran und verſut, mit dem ſcharfen Schwerte die Achillesſehne dur<hzuhauen, um das Tier zu lähmen und zu fernerem Widerſtande unfähig zu machen. Wie man es im ſüdlichen Wadai jagt, erzuhlt Nachtigal nah Hörenſagen: „Ein Reiter auf einem guten Pferde lenkt die Aufmerfſamkeit des Tieres auf ſih, während ein anderer eine ſehr breite, ſcharfe und lange Lanze ihm zwiſchen Hüftgelenk und Schwanz in den Leib zu ſtoßen ſucht. Es iſt eine gefährliche Jagd, welche große Kraft und Geſchicklichkeit erfordert. Jm Jnneren des Landes, an den Ufern des Batha, wo das Nashorn ebenfalls ſehr häufig iſt, pflegt man dasſelbe auf ſeinem Wechſel von der Höhe eines Baumes aus zu töten, indem man eine Lanze von obenher dem Tiere neben der Wirbelſäule in den Leib ſtößt.“ Fn Jndien zieht man mit Elefanten zur Jagd hinaus; aber ſelbſt dieſe werden zuweilen von dem wütenden Tiere gefährdet. „Als das Nashorn aufgejagt war“, ſagte Borri, „ging es ohne auſcheinliche Furcht vor der Menge der Menſchen auf ſeine Feinde los, und als dieſe bei ſeiner Annäherung re<ts und links auseinander prallten, lief es ganz gerade durch die aus ihnen gebildete Reihe, an deren Ende es auf den Statthalter traf, welcher auf einem Elefanten ſaß. Das Nashorn lief ſogleich hinter dieſem her und ſuchte ihn durch ſein Horn zu verwunden, während der Elefant ſeinerſeits alle Kraft aufbot, das angreifende Nashorn mit dem Nüſſel zu faſſen. (?) Der Statthalter nahm endlihh die Gelegenheit wahr und \{<oß ihm eine Kugel an die rechte Stelle.“ y

Die afrikaniſchen Arten werden von Europäern in derſelben Weiſe wie Elefanten gejagt: man lauert ihnen na<hts an der Tränke auf, beſchleicht ſie am Tage im Dickicht oder

8*