Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

118 Zehnte Ordnung: Unpaarzeher; dritte Familie: Nashörner.

Man hatte ihm in dem Schloßhofe von Sura Kerta einen Plat eingeräumt und dieſen dur< einen ungefähr 1 m tiefen Graben abgegrenzt; hier blieb es mehrere Fahre, ohne daran zu denken, ſeine Grenze zu überſchreiten. Es ſchien ſi< mit ſeiner Lage vollkommen ausgeſöhnt zu haben, geriet auh niemals in Zorn, troßdem es bei ſeiner erſten Ankunft auf alle Weiſe gene>t wurde, weil die zahlreiche Bevölkerung der Stadt ſi<h mit dem Fremdlinge aus dem Walde irgend welhen Spaß machen wollte. Gezweige, Schlingpflanzen der verſchiedenſten Art, jaſtige Blätter 2c. wurden ihm in reihliher Menge vorgeworfen; es zog aber den Piſang allem vor, und die zahlreichen Beſucher, welche dieſe Neigung bald auskundſchaſteten, ſorgten nun redlih dafür, daß es dieſe Lieblingsnahrung in Maſſe erhielt. Es erlaubte, daß man es berührte und von allen Seiten beſah; ja, die te>en unter den Beſchauern wagten es zuweilen, auf ſeinem Rücken zu reiten. Waſſer war ihm Bedürfnis: wenn es nicht mit Freſſen beſchäftigt war oder dur< die Eingeborenen aufgeſtört wurde, legte es ſih regelmäßig in tiefe Löcher, welche es ſih ausgegraben hatte.

Einen merkwürdigen Fall von hilfloſer Zutraulichkeit bei einem ganz jungen Doppelnashorne erzählt Selous. Eines Morgens, als er mit ſeinem Gefährten Wood zur Jagd eilte, ſtießen ſie unverſehens in einem Hage auf ein altes Doppelnashorn, dem ſie ſofort zwei Kugeln gaben. Schwergetroffen flüchtete das Tier, und nun erſt zeigte ſich, daß es ein Weibchen wax, dem ein erſt wenige Tage altes Kalb vergebens zu folgen ſuchte. Das Kälbchen ſ{<wenkte au< ſofort ab und kro<h unter den Leib von Woods Pferd, während Selous der Mutter den Fangſhuß beibrachte. „Zu meinem Freunde zurückehrend“, fährt unſer Gewährsmann fort, „fand i<h ihn unter einem ſchattigen Baume ſizend und das Nashornkalb dicht neben ſeinem Pferde ſtehend, welches dur das kleine Ungeheuer niht im geringſten beunruhigt erſchien. Das Kälbchen,-kaum größer als ein halbwüchſiges Schwein, bekundete gar keine Furht, wenn wir oder unſere Eingeborenen hinangingen und es ſtrei<helten. Ein Umſtand fiel mir auf: es ſ<wigßte ſehr ſtark auf dem ganzen Rücken, was ih niemals an einem erwa<ſenen Nashorne beobachtete. Da der verwaiſte Wildling Woods Pferde folgte als wäre dieſes ſeine Mutter, beſchloſſen wir, es mit uns zu den etwa 6 engliſ<en Meilen entfernten Wagen zu nehmen und zu verſuchen, es aufzuziehen. Wir ritten ab, und mit uns lief das Kälbchen wie ein Hund. Die heiße Sonne war ihm aber offenbar ſehr unangenehm, denn es machte unter jedem ſchattigen Strauche halt; ſobald wir aber 30 Shritt voraus waren, ſhlenkerte es ſein Shwänzchen, quiekte und trabte wieder zu jeinem Pferde. Endlich erreihten wir die Wagen — und nun änderte ſih auf einmal das Verhalten des bisher ſo zutraulichen Geſchöpfes. Waren es die Hunde, die es bellend umſprangen, oder der Anbli> der Planwagen oder überhaupt das Durcheinander der Weſen, Gerüche und Gegenſtände eines ſolchen Lagers — unſer Schüßling verwandelte ſih jählings in einen richtigen leinen Teufel und fuhr wütend auf die Leute, die Hunde und ſelbſt die Wagenräder los. Wir befeſtigten ihn mittels eines Riemens um Hals und Schulter, wobei er ſih ſehr ungebärdig benahm, in die Luft ſprang, wiederholt auf mih zuſchoß und mit der Naſe tüchtig gegen meine Kniee ſ{lug. Wir banden ihn nun an ein Wagenrad, und er begann ſi< zu beruhigen, wurde aber ſofort wieder wild, wenn ſi< ihm Menſchen oder Hunde näherten. Wie ih befürchtet hatte, nahm er keinerlei zurehtgemahte Nahrung von uns an; Milch würde ihm wohl gemundet haben, aber die konnten wir ihm leider niht verſchaffen, denn wir beſaßen keine Kühe. Da alle Verſuche fehlſ<hlugen und zudem vorauszuſehen war, daß er, wenn wix ihn laufen ließen, elend verhungern, wenn nicht unter den Zähnen von Löwen oder Hyänen enden würde, hielt ih es für das beſte, dem bemitleidenswerten Geſchöpfe, das ih ſo gern aufgezogen hätte, eine Kugel dur den Kopf zu ſchießen.“

Jn unſeren Tiergärten zeigen ſih die meiſten Nashörner gutmütig und zahm, laſſen ſich berühren, hin- und hertreiben und ſonſtwie behandeln, ohne ſi< zur Wehr zu ſeßen,