Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Lama: Verwendung als Laſttier. Leiſtungen. 161

halten ſie plöglih auf dem Wege an, richten den Hals in die Höhe, ſehen die Leute ſehr aufmerkſam an und bleiben lange Zeit unbeweglih, ohne Furcht und Unzufriedenheit zu zeigen. Ein anderes Mal werden ſie plößlih heu und rennen mit ihrer Ladung auf die höchſten Felſen, ſo daß man ſie herunterſchießen muß, um die Silberbarren nicht zu verlieren.“

Nur die Männchen werden zum Laſttragen benußt, die Weibchen dienen ausſ{<ließli< zur Zucht. „Nichts ſieht ſhöner aus“, ſagt Stevenſon, „als ein Zug dieſer Tiere, wenn ſie mit ihrer etwa einen Zentner ſ{<weren Ladung auf dem Nüken, eines hinter dem anderen in der größten Ordnung einherſchreiten, angeführt von dem Leittiere, welches mit einem geſ{<ma>voll verzierten Halfter, einem Glö>kchen und einer Fahne auf dem Kopfe geſhmü>t iſt. So ziehen ſie die ſ<neebede>ten Gipfel der Kordilleren oder den Seiten der Gebirge entlang, auf Wegen, wo ſelbſt Pferde oder Maultiere wohl ſ<hwerli< fortkommen möchten; dabei ſind ſie ſo folgſam, daß ihre Treiber weder Stachel noh Peitſche bedürfen, um ſie zu lenfen und vorwärts zu treiben. Ruhig und ohne anzuhalten, ſchreiten ſie ihrem Ziele zu.“

Tſchudi fügt dieſem hinzu, daß ſie beſtändig neugierig nah allen Seiten umherbli>en. „Wenn ſich ihnen plöglih ein fremdartiger Gegenſtand nähert, welcher ihnen Furcht einflößt, zerſtreuen ſie ſi< im Nu nach allen Seiten, und die armen Führer haben die größte Mühe, ſie wieder zuſammenzutreiben. Die Fndianer bekunden eine große Liebe für dieſe Tiere: ſie ſ{<müd>en ſie und liebtoſen ſie immer, ehe ſie ihnen die Bürde auflegen. Aller Pflege und Vorſicht ungeachtet gehen aber auf jeder Reiſe nah der Küſte eine Menge Lamas zu Grunde, weil ſie das heiße Klima nicht ertragen können. Zum Ziehen und Neiten werden ſie nicht gebraucht; zuweilen nur ſeßt ſih ein Fndianer auf eines ſeiner Tiere, wenn er einen Fluß zu überſchreiten hat und ſi< niht gern naß machen will: er verläßt es aber, ſobald er an das entgegengeſebßte Ufer kommt .…. Ein Lama kann höchſtens mit 50 ks belaſtet werden. Fſt die Ladung zu [{<wer, ſo legt es ſih nieder und ſteht niht eher auf, als bis man ſie ihm erleichtert. Sie wird a ohne irgend einen Packſattel oder eine andere Unterlage als höchſtens ein Stüc Zeug auf das dichte Vließ des Tieres gelegt und mit Wollſtri>en feſtgeſhnürt. Auf dieſe Weiſe beladen, legen die Lamas täglich 10 bis höchſtens 20 km zurüd> und gehen ſo ſrei, ſorglos und ſtill daher, als ſchleppten ſie nur aus großer Gefälligkeit ihre Bürde mit; dabei weiden ſie neben dem Wege, zerſtreuen ſi<h über die Ebene, klettern die Berge hinan, folgen aber dem Zurufe oder Pfifffe der Führer willig. Sie erfordern eine außerordentli< ſanfte Behandlung und ſind dann ſehr leicht zu lenken; geht man aber roh und unfreundli< mit ihnen um, ſo ſind ſie ſtörriſch, boshaft und geradezu unbrauchbar. Das Lama iſt ſo recht eigentlich für den Fndianer geſchaffen, und ſeine unglaubliche Geduld und Teilnahmloſigkeit hat ihm die einzig rihtige Behandlungsweiſe dieſes ſo eigenſinnigen Tieres eingegeben “

Meyen ſchlägt die Wichtigkeit des Lamas für die Peruaner ebenſo hoch an wie die des Renntieres für die Lappländer. Man hält die Tiere in ungeheuern Herden auf den Hochebenen. Nachts ſperrt man ſie in eine Einfriedung von Steinen, morgens läßt man ſie heraus; dann eilen ſie im Trabe zur Weide, und zwar ohne Hirten; abends kehren ſie wieder zurü>, Dſt begleiten ſie dabei Guanacos oder Vicuñias. Reitet jemand vorbei, ſo \pißen ſie ſhon von ferne die Ohren; die ganze Herde läuft im Galopp auf ihn zu, bleibt auf 30—50 Schritt vor ihm ſtehen, ſieht ihn neugierig an und kehrt dann wieder auf die Weide zurück.

Die von Meyen und anderen Forſchern ausgeſprohene Meinung, daß das Lama nurx ein veredelter Guanaco ſei, hält Tſ<hudi für irrtümlih und kommt zu dem Schluſſe, daß jener die Altersſtufen der Lamas als Übergangsformen angeſehen habe. „Es ſcheint Meyen unbekannt geblieben zu ſein, daß die Fndianer die Lamas nah dem Alter in geſonderten Trupps halten. Nach der Geburt bleiben die Jungen 6—8 Monate bei den Müttern; vor Ablauf ihres erſten Lebensjahres werden ſie in eine Herde zuſammengetrieben und von den

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. 111. Ml

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