Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

162 Elfte Drdnung: Paarzeher; zweite Familie: Kamele.

1 oder 2 Jahre älteren getrennt gehalten, ſo daß alſo immer Lamas von 1, 2, 3 Jahren geſondert gepflegt werden. Zu Ende des dritten Jahres ſind ſie ausgewachſen und werden dann den großen Herden eingereiht, welche wieder nah dem Geſchlechte getrennt ſind.“ Eine endgültige Entſcheidung der ſtreitigen Frage wird kaum zu fällen ſein, ſolange wild lebende Lamas und Pacos nicht aufgefunden worden ſind.

Über die Fortpflanzung der Lamas berichtet T\<hudi etwa folgendes: „Die Begattung geht erſt na< dem Ausbruche der raſendſten Brunft vor ſih, indem ſih die Tiere ſchlagen, ſtoßen, beißen, niederwerfen und bis zur größten Ermattung umherjagen. Alle Lama-Arten werfen nur ein Junges, welches etwa 4 Monate ſaugt, bei den eigentlihen Lamas gewöhnlih etwas länger; ſehr häufig ſaugen bei dieſer Art ſogar die Jungen vom zweiten Jahre mit denen vom erſten zugleich... Unter der ſpaniſchen Herrſchaft erſchien ein Geſez, welches jungen, unverheirateten Fndianern bei Todesſtrafe verbot, eine Herde weiblicher Lamas zu hüten. Gegenwärtig iſt dieſes höchſt notwendige Verbot leider außer Wirkſamkeit getreten.“

Von demſelben Naturforſcher erfahren wir, daß die Bedeutung und auh der Preis der Lamas ſeit Einführung der Einhufer bedeutend geſunken iſ, und ferner, daß die Lamaherden dur<h Krankheiten man<hmal in entſegliher Weiſe heimgeſucht und in erſhre>ender Anzahl hinweggerafft werden. Garcilaſo de la Vega erzählt, daß die Krankheit in den Fahren 1544 und 1545 zum erſtenmal auftrat. Es war ein Übel, der Kräße zu vergleichen, aber weit verderblicher. Von der Jnanenſeite der Schenkel ausgehend, verbreitete es ſich über den ganzen Leib, bildete hohe Kruſten und tiefe Shrunden, aus denen Blut und Eiter ſih ergoß, und rieb die Tiere in wenigen Tagen auf. Die Peſt war anſte>end und raffte zum größten Erſtaunen und Schre>en der Fndianer und Spanier zwei Dritteile der Lamas und Guanacos weg. Später wurden Pacos und Vicuñias angeſte>t. Anfangs vergrub man die verpeſteten Tiere bei lebendigem Leibe, ſodann behandelte man ſie mit Feuer und Schwefel, endlih fand man, daß Schweineſchmalz das beſte Mittel ſei. Allmählih nahm das Übel ab, und endlih verſhwand es faſt ganz. Aber es iſt, wie Tſchudi hinzufügt, niemals gänzlich ausgerottet worden und wiederholt ſeuchenartig aufgetreten. Fn ſpäterer Zeit wendete man das Fett des Kondors als Gegenmittel an.

Lamafleiſh wird überall. gern gegeſſen, das der ſogenannten Chuchos oder einjährigen Tiere gilt ſogar als Leckerbiſſen. Ältere Lamas werden hauptſächlih geſ<lahtet, um Trokenfleiſch, in Peru und Bolivia Charqui genannt, zu gewinnen. Auf der Puna, dem Hoclande zwiſchen den beiden Zügen der Kordilleren, bezahlte man vor etwa 10 Fahren ein Lama dur@(ſchnittli<h mit etwa 20 Mark, das Troenfleiſh dem entſprehend. Aus der Wolle bereitet man nur grobe Zeuge und Strike; ihr Wert iſt gering.

Jn den Angaben der von mir erwähnten Reiſenden iſt ſo ziemlich alles enthalten, was wix von dem Leben unſeres Tieres in ſeiner Heimat wiſſen. Gegenwärtig ſieht man das Lama faſt in allen Tiergärten. Wenn es mit anderen ſeiner Art zuſammengehalten wird, ſcheint es viel freundlicher zu ſein, als wenn es allein iſt und ſi langweilt. Es verträgt ſih mit ſeinen Artgenoſſen und Artverwandten vortrefſlih, und namentlich die Paare hängen mit inniger Zärtlichkeit aneinander. Sie lernen ihre Wärter kennen und behandeln ſie erträglich; gegen fremde Menſchen aber zeigen ſie ſih als e<hte Kamele, d. h. beſtändig mehr oder weniger übel gelaunt und außerordentlich reizbar. Jm Berliner Tiergarten lebte ein Lama, welches ſih dur< beſondere Ungemütlichkeit auszeihnete; an ſeinem Gitter hing eine Tafel mit der Bitte, das Lama ja niht zu ärgern, was ſelbſtverſtändlih den Erfolg hatte, daß jedermann erſt reht das Tier zu reizen verſuchte. Demzufolge ſah man dieſes in beſtändiger Aufregung. Sobald ſih jemand nahte, endigte es ſein gemütliches Wiederfäuen, legte die Ohren zurü>, ſah den Fremdling ſtarr an, ging plößlih gerade auf ihn los und ſpie ihn an. Jn ähnlicher Weiſe benahmen ſi<h auch die übrigen Lamas, welche

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