Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Alpenſteinbo >: Allgemeines. 173

und von einer Sammlung der Tiere, in welcher alle Altersverſchiedenheiten und mancherlei Abweichungen, wie ſie ja immer vorkommen, vertreten wären, iſt no<h keine Rede. Übergänge von einer zux anderen Form ſind jedo<h no< niht na<hgewieſen, und ſomit müſſen wir die erwähnten einſtweilen wohl als verſchiedene Arten betrachten.

Untex allen Steinbö>ken geht uns ſelbſtverſtändlich diejenige Art am nächſten an, welche unſere Alpen bewohnt. Mit Unrecht überſeßt man den lateiniſhen Namen Capra ibex noh immer mit „europäiſcher Steinbo>“; denn von allen anderen Arten unſeres Erdteiles leben ſicherlih gegenwärtig ihrer noh viel- mehr als von dem Steinbocke der Alpen, welcher leider ſeinem Untergange entgegengeht.

Dex Alpenſteinbo> (Capra ibex, C. alpina, Aegoceros ibex und Ibex alpinus) iſt ein ſtolzes, anſehnliches und ſtattlihes Geſhöpf von 1,5—1 6 m Leibeslänge, 80—85 cm Schulterhöhe und 75—100 kg Gewicht. Das Tier macht den Eindru> der Kraft und Ausdauer. Der Leib iſt gedrungen, der Hals mittellang, der Kopf verhältni8mäßig klein, aber ſtark an der Stirn gewölbt; die Beine ſind kräftig. und mittelho<h; das Gehörn, welches beide Geſchlechter tragen, erlangt bei dem alten Boe ſehr bedeutende Größe und Stärke und trümmt ſich einfa bogen- oder halbmondförmig ſchief nah rü>wärts. An der Wurzel, wo die Hörner am di>ſten ſind, ſtehen ſie einander ſehr nahe; von hier entfernen ſie ſi, allmählih bis zur Spite hin ſi< verdünnend, weiter voneinander. Fhr Durchſchnitt bildet ein längliches, hinten nur wenig eingezogenes Viere>, welches gegen die Spite hin flacher wird. Die Wachstumsringe treten beſonders auf der Vorderfläche in ſtarken erhabenen, wulſtartigen Knoten oder Höckern hervor, verlaufen auh auf den Seitenflächen des Hornes, erheben ſi< hier jedo< niht ſo weit wie vorn. Gegen die Wurzel und die Spiße zu nehmen ſie allmählih an Höhe ab; in der Mitte des Hornes ſind ſie am ſtärkſten, und hier ſtehen ſie au< am engſten zuſammen. Die Hörner können eine Länge von 80 —100 cm und ein Gewicht von 10—15 ks erreichen. Das Gehörn des Weibchens ähnelt mehr dem einer weiblichen Haus8ziege als dem des männlihen Steinbo>es. Die Hörner ſind verhältnismäßig lein, faſt drehrund, der Quere nach gecunzelt und einfa<h na< rü>wärts gekrümmt. FJhre Länge beträgt ſelbſt bei erwachſenen Tieren niht mehr als 15—18 cm. Schon im erſten Monate des Lebens ſproßt bei dem jungen Steinboce das Gehörn hervor; bei einem etwa einjährigen Boke ſind es no< kurze Stummel, welche hart über der Wurzel die erſte querlaufende, knorrige Leiſte zeigen; an den Hörnern der zweijährigen Böcke zeigen ſich bereits 2—9 mwulſtige Erhöhungen; dreijährige Böe haben ſchon Hörner von 45 cm Länge und eine erhebliche Anzahl von Knoten, welhe nun mehr und mehr ſteigt und bei alten Tieren bis auf 24 fommen kann. Einen ſicheren Schluß auf das Alter des Tieres gewähren dieſe Knoten ebenſowenig wie die wenig bemerflihen Wachstumsringe zwiſchen ihnen oder die flachen Erhebungen zu beiden Seiten des Hornes, aus deren Anzahl die Jäger die Jahre des Tieres beſtimmen zu fönnen vermeinen.

Die Behaarung iſt rauh und dicht, verſchieden nah der Jahreszeit, im Winter länger, gröber, krauſer und matter, im Sommer kürzer, feiner, glänzender, während der rauhen Jahreszeit dur<hmengt mit einer dihten Grundwolle, welche mit zunehmender Wärme ausfällt, und auf der Oberſeite des Leibes pelziger, d. h. kürzer und dichter als unten. Außer am Hinterhalſe und Nacken, wo die Haare ſi<h mähnenartig erheben, verlängern ſie ſich bei dem alten Männchen auh am Hinterkopfe, indem ſie hier zugleich ſi< kräuſeln und einen Wirbel herſtellen, und ebenſo am Unterkiefer, bilden hier jedo<h höchſtens ein kurzes Stuybärthen von niht mehr als 5 cm Länge, welches jüngeren Böen wie den Steinziegen gänzlich fehlt. Jm übrigen iſt das Haar ziemlich gleich lang. Die Färbung iſ nah Alter und Fahreszeit etwas verſchieden. Jm Sommer herrſ<ht die rötlichgraue, im Winter die