Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

174 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

gelblichgraue oder fahle Färbung vor. Der Rücken iſt wenig dunkler als die Unterſeite; ein ſ<hwach abgeſetzter, hellbrauner Slreifen verläuft längs ſeiner Mitte. Stirn, Scheitel, Naſe, Rücken und Kehle ſind dunkelbraun; am Kinne, vor den Augen, unter den Dhren und hinter den Naſenlöchern zeigt ſi< mehr roſtfahle Färbung; das Ohr iſt außen fahlbraun, inwendig weißli<h. Ein dunkel- bis ſ{warzbrauner Längsſeitenſtreifen ſcheidet Dber- und Unterſeite; außerdem ſind Bruſt, Vorderhals und die Weichen dunkler als die übrigen Stellen, und an den Beinen geht die allgemeine Färbung in Shwarzbraun über. Die Mitte des Unterkörpers und die Umgebung des Aſters ſind weiß; der Shwanz iſt oben braun, an der Spitze ſ{hwarzbraun. Auf der Rüſeite der Hinterläufe verläuft ein heller, weißlihfahler Längsſtreifen. Mit zunehmendem Alter wird die Färbung gleihmäßiger. Das Haarkleid der Steingeiß entſpriht im weſentlihen durhaus dem des Bokes, zeigt jedoch keinen Nükenſtreiſen und iſt noh gleichartiger und mehr fahl gelblihbraun, im Grunde aber dunkler grau gefärbt, die Mähne kürzer und undeutlicher, von einem Barte endlih feine Spur zu ſehen. Die Zi>lein ähneln bis zur erſten Härung der Mutter, haben aber, wenn ſie männlihen Geſchlechtes ſind, ſhon von Geburt an den dunkleren Rücenſtreiſen.

Bereits vor Hunderten von Jahren waren die Steinbö>e ſehr zuſammengeſ<hmolzen, und wenn im vorigen Jahrhunderte niht beſondere Anſtalten getroffen worden wären, ſie zu hegen, gäbe es vielleicht keinen einzigen mehr. Nach alten Berichten bewohnten ſie in früheren Zeiten alle Hochalpen der Schweiz, in vorgeſchichtlicher Zeit ſcheinen ſie ſih ſogar auf den Voralpen aufgehalten zu haben. Während der Herrſchaft der Römer müſſen ſie häufig geweſen ſein; denn dieſes prunkliebende Volk führte nicht ſelten 100—200 lebendig gefangene Steinböcke zu den Kampfſpielen nah Rom. Schon im 15. Fahrhundert waren ſie in der Shweiz ſelten geworden. Jm Kanton Glarus wurde 1550 das lette Stück geſchoſſen, in Graubünden konnte der Vogt von Kaſtel dem Erzherzoge von Öſterreich im Jahre 1574 nur mit Mühe no< Böe ſchaffen. Jn den Bergen des Bergell und Oberengadin zählten ſie im 16. Jahrhundert noch niht zu den ungewöhnlichen Tieren. Fm Fahre 1612 verbot man ihre Jagd bei 50 Kronen Geldbuße, ſhon 21 Fahre ſpäter bei körperlicher Strafe. Ende des vorigen Jahrhunderts traf man ſie no< in den Gebirgen, welche das Bagnethal umgeben, zu Anfang dieſes Jahrhunderts no< in Wallis; ſeitdem hat man ſie auf Schweizer Gebiete ausgerottet.

Jn Salzburg und Tirol ſind ſie, wie neuere Unterſuchungen alter Urkunden glaublich erſheinen laſſen, wahrſcheinlih erſt um die Mitte des 16. Jahrhunderts und vermutli<h durch die reihen Herren von Keutſ<ba< eingebürgert worden, haben ſi< au< nur kurze Zeit dort gehalten. Wilddiebe gefährlichſter Art ſtellten ihnen, weil Gehörn und Blut, „Herzknohen“ „Bokſteine““ 2c. als kräftige Heilmittel gehalten, mit ſolchem Eifer nah, daß ſich der Jagdbeſizer des von ihnen bewohnten Gebietes im Fahre 1561 ſhubbittend an ſeinen Fürſten, den Erzbiſchof von Salzburg, wendete, welcher endlih 1584 die Fagdgerechtigkeit ſelbſt übernahm. Er und ſeine Nachfolger wandten verſchiedene Mittel an, um die Ausrottung der edlen Tiere zu verhindern. Sie vervierfachten die Anzahl ihrer Jäger, ſezten Wildhüter in kleine Hütten auf die höhſten Alpen und ließen junges Steinwild einfangen, um es in Tiergärten aufzuziehen. An hundert der geſchi>teſten und mutigſten Jäger waren vom April bis zum Juni beſchäftigt, um Steinbö>ke, wenn ſie bei der Schneeſchmelze tiefer herab in die Nähe der Sennhütten kamen, mit Garnen zu berü>en. Gleihwohl konnten ſie in drei Sommern niht mehr als 2 Böke, 4 Geißen und 8 Kißen erlangen. So ging es dur das ganze Jahrhundert fort, weil die Erzbiſchöfe Steinbö>ke zu Geſchenken an auswärtige Höfe benußten. Man zahlte damals für jeden „Herzknohen“ des Steinbo>es einen Dukaten, für ein gefundenes Horn 2 Reichsthaler, für eine Gemskugel 2 Gulden. Deshalb waren 1666 im Zillerthale kaum no< Steinbö>ke und bloß noch etwa 60 Gemſen übrig.