Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, page 271
Hausſ{hafe: Annahmen über Abſtammung. Abänderungen. 337
die Hörner gänzlih, obwohl ſie bei den Weibchen wilder Arten vorzukommen pflegen; bei den Widdern der walachiſhen Raſſe erheben ſie ſih faſt ſenkre<ht von dem Stirnbeine aus und erlangen dann eine ſ<höne Schraubenkrümmung; bei den Mutterſchafen dagegen treten ſie faſt unter re<ten Winkeln vom Kopfe ab und werden dann in eigentümliher Weiſe verdreht. Auch die Ramsnaſe, welche mehrere ausländiſche Raſſen kennzeichnet, iſt, nach Hodgſon, nichts anderes als ein Ergebnis des Haustierſtandes.
Leichter als andere Haustiere werden Schafe durch unmittelbare Einwirkung der Lebensbedingungen verändert: ſo entartet das fettſ<hwänzige Kirgiſenſchaf nah wenigen in Nußland erzogenen Geſchlechtern, und ſeine Fettmaſſen verſhwinden (dieſer Angabe widerſpricht indeſſen O. Finſh beſtimmt und führt au<h Pallas an, der ſhon nahwies, daß die Veränderungen einfa< dur wiederholte Kreuzungen bedingt werden); ſo verliert die Karakulraſſe ihr feines, lo>iges Vließ, wenn ſie von Buchara nah Perſien oder in eine andere Gegend verſeßzt wird. Auch große Wärme wirkt verändernd auf das Vließ: in Antigua z. B. verſchwindet ſhon nah dem dritten Geſchlehte die Wolle, um einem Haarkleide Plat zu machen. Anderſeits aber leben viele wolltragende Schafe in den heißen Ländern von Indien, und wenn Lämmer in den niedrigeren und wärmeren Teilen der Kordilleren re<htzeitig geſchoren werden, erhalten ſie ihr Vließ, während ſi, geſchieht erſteres niht, die Wolle in Flo>en loslöſt und nun für immer ſi ein kurzes, glänzendes Haar wie bei einer Ziege bildet. Verſchiedene Schafraſſen gedeihen Geſchlechter hindurch in ihrer Eigenart ausſ{ließli< auf beſtimmten Örtlichkeiten und ſcheinen demnach dieſen auf das genaueſte angepaßt zu ſein. Marſhall erzählt, daß eine Herde ſhwerer Lincolnſhire- und leichter Norfoltſhafe zuſammen auf einer großen Weide gezüchtet wurden, deren einer Teil niedrig, [ruhtbar und feucht, deren anderer Teil hochgelegen und tro>en und mit dürftigem Pflanzenwuchſe bede>t war; wurden ſie ausgetrieben, ſo trennten ſie ſih regelmäßig voneinander, die ſ<weren Schafe gingen auf den fruchtbaren Teil, die leichteren auf die dürftigere Weide, ſo daß beide Raſſen, obgleih Gras in Fülle vorhanden war, ſi ſo getrennt hielten wie Raben und Tauben. Während einer langen Reihe von Jahren hat man Schafe aus den verſchiedenſten Teilen der Erde nah dem Londoner Tiergarten gebracht; die aus heißen Klimaten ſtammenden überſtehen hier aber niemals das zweite Jahr, ſondern ſterben an Schwindſucht. Ähnliches iſ auch in anderen Teilen Englands in Erfahrung gebracht worden, indem hier auf einzelnen Gütern Krankheiten gewiſſe Schafraſſen plößlih wegrafften, welche andere niht berührten. Nicht einmal die Trächtigkeitsdauer iſt beſtändig, verändert ſih vielmehr ebenfalls nah den Raſſen und verkürzt ſi bei den edelſten derſelben und ebenſo erweiſt ſich die Fruchtbarkeit je nah den Raſſen verſchieden; einige erzeugen bei einer Geburt Zwillinge und ſelbſt Drillinge, wogegen andere bekanntlich nur ein einziges Lamm werfen. Daß zwe>mäßig durchgeführte Zuchtwahl bei mehreren Schafraſſen erhebliche Veränderungen hervorgerufen hat, bezweifelt derjenige, welcher nur irgend etwas über dieſen Gegenſtand weiß, niht im geringſten. Selbſt die Neigung zur Veränderlichkeit kann durch ſorgfältige Zuchtwahl aufgehoben werden, und es erſcheint möglich, daß gewiſſe, beiſpielsweiſe ſeinwollige, Schafraſſen überall gehalten werden, wo nur fleißige Menſchen und ſachverſtändige Züchter leben.
Wie bei anderen Haustieren läßt ſih endlih nahweiſen, daß neue Raſſen plößlich entſtanden: ſo wurde 1791 in Maſſachuſetts ein an den Dachshund erinnerndes Widderlamm mit furzen, frummen Beinen und langem Rücken geboren und zum Stammvater der Otterraſſe, welche niht über die Einfriedigungen ſpringen konnte und deshalb wertvoll zu ſein ſchien, ſ<ließli<h aber ausſtarb, weil man ſie dur< Merinos erſeßte; bis dahin hatten ſie ihre Merkmale in größter Reinheit fortgepflanzt, auh, wenn ſie mit anderen Raſſen gekreuzt wurden, Nachkommen erzeugt, welche mit ſeltenen Ausnahmen, anſtatt Blendlingsformen zu