Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

718 Fünfzehnte Ordnung: Gabeltiere; erſte Familie: Ameiſenigel.

Fingerzeig für die Bereitung der Gefangenenkoſt dieſer Tiere. Von der Mutter entwöhnte Stacheligel ſollte man niht mit Milch füttern wollen. Bei einem feinkörnigen Miſchfutter, das zu gleichen Teilen aus Fleiſ<mehl, geriebenem Eidotter, feingemahlenem Hanfe, zerſtoßenem Zwieba>e geriebener Möhre und klarem Sande gemiſcht iſt, werden ſich Stacheligel meines Erachtens lange halten laſſen und möglicherweiſe zur Fortpflanzung ſchreiten. Ein Zuſaß von Ameiſenpuppen und Mehlwürmern wird das Futter no< zuträgliher machen; die Tiere müſſen gänzli<h wie Kerbtiere freſſende Vögel behandelt werden. Die durch die Schnelldampfer neueſter Zeit ſehr abgekürzte Reiſe von Auſtralien zu uns würden die meiſten Stacheligel faſtend überſtehen können.

„Über die Fortpflanzung des Stacheligels war bis zu meiner Entde>ung eines vorübergehend gebildeten und ein Ei bergenden Brutbeutels am Bauche des Weibchens nichts befannt. Anfang Auguſt 1884 erhielt ih ein Pärchen Stacheligel von Kangaroo-Fsland. Einige Wochen ſpäter las i< einige Bemerkungen Gegenbaurs über die von Owen vor langer Zeit beſchriebenen halbmondförmigen Fältchen am Bauche des Weibchens, auf deren Boden ſich die Bruſtdrüſengänge öffnen. Gegenbaur hatte nach dieſen Vertiefungen vergeblih an ſeinen in Weingeiſt aufbewahrten Stücken geſucht; ih beſ<hloß deshalb/ das lebende Tier daraufhin zu beſichtigen. Ein Diener mußte mein Stacheligelweibchen an einem Hinterbeine in die Höhe halten, und ih betaſtete den Bauch des Tieres. Hier fand ih zwar niht die beiden von Owen beſchriebenen und abgebildeten Fältchen, wohl aber eine große, zur Aufnahme einer Herrenuhr genügend weite Taſche, den vor Ablage des Eies, zur Aufnahme dieſes gebildeten, ſpäter mit dem wachſenden Jungen ſi ausweitenden, na<h Entwöhnung des leßteren wieder verſtreichenden Brutbeutel, als deſſen legte Reſte meiſtens ſeine ſeitlihen Falten, in welchen die Öffnungen der Bruſtdrüſen liegen, zurü>zubleiben ſ{heinen. Nur ein Tierkundiger wird meine Beſtürzung begreifen können, als ih aus dem Beutel ein Ei hervor30g, das erſte gelegte Ei eines Säugetieres, das einer wiſſenſhaftlihen Geſellſchaft vorgezeigt werden fonnte und ſi jezt neben der ausgeſtopften Mutter und ihrem in Weingeiſt geſeßten Brutbeutel im Muſeum zu Adelaide befindet. Dieſer unerwartete Fund verwirrte mi derart, daß ih die nur unter ſol<hen Umſtänden erklärlihe Thorheit beging, das Ei heftig zwiſchen Daumen und Zeigefinger zu drü>ken und ihm ſo einen Riß beizubringen. Sein dünnflüſſiger Fnhalt war leider, wohl infolge des Einfangens und der Gefangenhaltung ſeiner Mutter, in Zerſeßung übergegangen. Die Länge des elliptiſchen Eies betrug 15, ſeine Dicke 13 mm; ſeine Schale war derb pergamentartig wie die vieler Kriechtiereier.

„Von beſonderer Bedeutung in der Fortpflanzungsgeſchichte des Stacheligels iſt der eigenartige, nur vorübergehend gebildete Brutbeutel, deſſen Verhalten ein gänzlih anderes iſt als das des Beuteltierbeutels, und der erſt ſo ſpät bekannt wurde, weil er nah der Fortpflanzungszeit und auh wohl bei den ohne beſondere Vorſicht in Weingeiſt aufbewahrten oder ausgeſtopften Stü>en verſhwindet. Daß er dur<h das wachſende Junge ausgeweitet wird, mindeſtens bis zu Fauſtgröße, habe ih ſpäter an einem Stücke im Muſeum zu Adelaide beobachtet; weitere Beobachtungen konnte ih wegen meines Fortganges von Auſtralien niht anſtellen.“ Nach N. von Lendenfeld herrſcht im Brutbeutel zur Zeit der Bebrütung des Eies eine höhere Wärme als im übrigen Körper. Über die Begattung des Stacheligels, die Eiablage und die Dauer der Bebrütung des Eies und des Aufenthaltes des Jungen im Brutbeutel iſt no< ni<hts bekannt. Nur das ſteht ziemlich feſt, daß der Staceligel für gewöhnlih nur ein Ei legt.

Die Eingeborenen nennen den Stacheligel Nikobejan, Janokumbine und Cogevra. Manche Auſtralier braten ihn in ſeinem Felle, wie die Zigeuner unſeren FJgel, und eſſen ihn; aber auh die Europäer verſichern, daß ein ſo zubereiteter Stacheligel vortreffliche Speiſe gebe; in Neuguinea benußt man, wie Haa>e am Stri>landfluſſe beobachtete, ſeine Stacheln