Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Satyrhuhn: Stimme. LebenSweiſe. Gebaren während der Balzzeit. 601

werden, iſt er vorſichtiger, und wenn ſolche Beſuche regelmäßig ſtattfinden, wird er zuletzt ſo ſcheu und liſtig, daß er jeden anderen Vogel übertrifft. Er pflegt unter ſolchen Umſtänden, ſobald er die Anweſenheit eines Menſchen merkt, nach ein- oder zweimaligem Lorufe, auh wohl ohne ſolchen, aufzubäumen und weiß ſich ſo geſchi>t in die dichteſten Laubwerke der Kronen zu verbergen, daß man ihn nicht oder wenigſtens nur dann findet, wenn man ſih den Zweig, zu welchem er ſi< erhob, genau merken konnte. Seine Nachtruhe hält er nux auf Bäumen.

„Mit Frühlingsanſang, ſobald der Schnee in den höheren Gebirgen zu \{<melzen beginnt, verlaſſen die Satyrhühner ihre Winterherberge, vereinzeln ſi<h nah und nah und verteilen ſi in den ſtilleren und zurü>liegenden Wäldern des Gürtels der Birke und weißen Alpenroſe, wo ſie gewöhnlich die äußerſte Grenze des Waldes beziehen. Schon im April paaren ſie ſih, und jeßt trifft man öfter als je mit den Männchen zuſammen. Viele von dieſen ſcheinen auf der Wanderſchaft zu ſein, wahrſcheinlih, um ſih eine Gefährtin zu ſuchen. Sie ſchreien viel und während des ganzen Tages, ſezen ſih dabei in die dichten Zweige der Bäume oder auf einen zu Boden gefallenen Baumſtamm und ſcheinen nicht ſo ängſtlih bedacht, ſi<h zu verſte>en. Der Paarungsruf ähnelt dem Laute, den man vernimmt, wenn man ein Volk aufſcheuct, iſt aber viel lauter und beſteht nur aus einer einzigen Silbe, einem kräftigen Wä‘, das dem Blöken einer verirrten Ziege ſehr ähnlich klingt und mehr als eine engliſ<he Meile weit vernommen werden fann.

„Die hauptſächlihſte Nahrung des Jewar ſind Baumblätter und Knoſpen, namentlich ſolche der verſchiedenen Eichen und Buchsbaumarten; nebenbei werden aber au< Wurzeln, Blumen, Beeren, Sämereien und Körner und ebenſo Käfer und andere Kerbtiere mit aufgenommen, immer abex verhältnismäßig wenige im Vergleiche zu den Blättern.“

Über das Brutgeſchäft berichtet unſer Gewährsmann nicht; wir kennen es jedoch wenigſtens teilweiſe dur<h Beobachtungen an gefangenen Satyrhühnern. Sie halten ſichleichter als viele ihrer Verwandten im Käfige, ertragen unſer Klima re<t gut und ſchreiten bei geeigneter Pflege regelmäßig zur Fortpflanzung. Während der Balz entfaltet der Hahn ſeine volle, wunderbare Pracht, indem er im Augenblicke des höchſten Entzücens ſeine Hörner auſrihtet und den Kehllappen entrollt. Außer der Balzzeit gewinnt man von dex Farbenpracht der genannten Gebilde feine Vorſtellung; denn die Hörner und der Kehllappen ſind eingezogen und kaum ſichtbar; wenn aber die einen wie der andere durch zeitweiſe verſtärktes Eintreten von Blut geſhwellt werden, treten die Hörner aus dem Federſchopfe des Hinterhauptes hervor, und die warzige, blaue Haut des Geſichtes die bis dahin an der Kehle einen kraufen Beutel, hinter dem Auge eine herabhängende Falte und zur Seite des Halſes einen dien, eingeſtülpten, oben mit Federn bekleideten Querwulſt bildete, entfaltet fih für Augenbli>e zu einem hinter den Augen beginnenden, vorn am Halſe herabhängenden, unterſeits zweilappigen Schilde von etwa 20 cm Länge und 15 cm Breite, das zwei ſeitlihe und ein mittleres Farbenfeld zeigt. Lebteres tritt (bei dem Hornhuhne) ſtark gewölbt und ſpindelförmig hervor, umfaßt von der Kehle an die ganze Innenſeite des Schildes, einſchließlih der Jnnenſeite der beiden Lappen am Ende, und wird auf tief und ſaftig kornblumenblauem Grunde durch zahlloſe tropfenartige, in Größe und Geſtalt abändernde, von oben nach unten ſi vergrößernde hell fobaltblaue Rund- und Sprißfle>en gezeichnet. Die Nandfelder des Schildes dagegen tragen auf hell himmelblauem Grunde 3—9 nah unten fi verkleinernde Querfle>en von glühend blutroter Färbung, von welchen die oberſten vier außen verbunden ſind, wogegen die übrigen einzeln ſtehen.

Den Verlauf des Liebesſpieles beſchreibt Mützel dem ih auch vorſtehende Farbenſchilderung verdanke, wie folgt: „Nach Nahrung ſuchend, Körner aufnehmend, Halme und ¡unge Blättertriebe abpflücend, ſchreitet der Hahn in ſeinem Gehege auf und nieder,