Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Laufhühnchen: Verbreitung. Leben8weiſe. Fortpflanzung. 673

unſeres Hühnchens innerhalb der europäiſchen Grenze auf Sizilien zu ſuchen ſei, weil ihm Doderlein mitgeteilt habe, daß er in der Nachbarſchaft von Alicata, Girgenti und Sciacca 10—15 Stü im Laufe eines Tages erlegen konnte. Doderlein ſelbſt bemerkt, daß es vorzugsweiſe im Süden vorkomme und im September und Oktober in Geſellſchaften, im Laufe des übrigen Jahres einzeln gefunden werde und auch hier unbebaute, wellenförmig bewegte, mit dichtem, filzigem, niedrigem Geſtrüpp beſtandene Örtlichkeiten bewohne.

Seine Lebensweiſe ſchildert am beſten Loche, der als langjähriger Bewohner Algeriens die meiſte Gelegenheit hatte, das Vögelchen zu beobachten. Auch hier bewohnt das Laufhühnchen dicht bebuſchte Örtlichkeiten. Jedes Paar lebt nur für ſih und vereinigt ſih nie mit anderen ſeinesgleihen; wenigſtens ſieht man es in der Negel allein. Scheu und vorſichtig, verſucht es, ihm geltenden Nachſtellungen immer rechtzeitig zu entrinnen, bedient ſih jedo<h hierzu im äußerſten Notfalle ſeiner Schwingen und läuft ſo lange, wie es vermag, zulest einem ſo gut wie undurchdringlichen Gebüſche zu, in welhem es, namentlih wenn es bereits einmal aufgetrieben wurde, ſo feſt liegt, daß es ſi<h von der Hand oder einem geſchi>ten Hunde ergreifen läßt. Kerbtiere und Sämereien in annähernd gleicher Menge bilden ſeine Nahrung. Loche fand in vielen von ihm zergliederten Stücken Sämereien und ſonſtige Pflanzenſtoffe, Überbleibſel von Ameiſen und anderen Kerfen und leine Kieſel in buntem Durcheinander. Sein Neſt legt das Weibchen in einem Grasbüſchel oder einem dichten Buſche an. Es iſt nichts anderes als eine kleine Vertiefung im Boden, die mit tro>enem Graſe, zuweilen auh gar niht ausgelegt immer aber in einem ſo vortrefflichen Verſte>e angebracht wird, daß man es nur ſelten findet. Wie es ſcheint, brütet das Paar zweimal im Fahre; ältere Weibchen legen, nah Loches Anſicht, zuerſt im Mai und das zweite Mal im Auguſt, jüngere im Juni und im September. Das Gelege beſteht aus 4—5 Eiern von durchſchnittlih 24 mm Längs- und 18 mm Querdur{meſſer, gräulich- oder gelblihweißer Grundfärbung und ziemlich dichter blaßpurpurner oder dunkelbrauner Fle>enzeihnung. Beide Geſchlehter we<ſeln im Brüten ab, und wenn das Weibchen getötet wird, übernimmt das Männchen allein die mütterlihen Sorgen. Sobald die Jungen ſelbſtändig geworden ſind, wandeln ſie ihre eignen Wege, und die Eltern ſhreiten zur zweiten Brut. Wie die meiſten Rallenvögel, entlaufen ſie dem Neſte, nachdem ſie tro>den geworden ſind, und ebenſo wie ihre Verwandten werden ſie anfänglich mit zärtlihſter Sorge von beiden Eltern behütet und durch ein ſanftes „Kru“ zuſammengerufen. Abgeſehen von dieſem Stimmlaute vernimmt man, namentli<h in der Morgenund Abenddämmerung, einen höchſt eigentümlichen, tiefen, dröhnenden Laut, den man mit dem befannten brüllenden Schrei der Rohrdommel vergleichen fann, nur daß er bei weitem ſ{hwächer und leiſer iſt. An Gefangenen beobachtete Loche, daß ſie beim Ausſtoßen des leßterwähnten Lautes den Bauch ein- und den Kopf zwiſchen die Schultern ziehen und nunmehr, ohne den Schnabel zu öffnen, nah Art eines Bauchredners den Laut ausſtoßen.

Gefangene Lauſhühnchen, die zuweilen, obwohl recht ſelten, auch in unſere Käfige gelangen, dauern bei einigermaßen entſprechender Pflege vortrefflih darin. aus und ſchreiten in ihm, wie Loche erfuhr, ſelbſt zur Fortpflanzung.

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. Y. 43