Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Allgemeines. Verbreitung. Nahrung. Wanderungen. 675

Gabel verſchmelzen mit der vorderen Spiße des Bruſtbeinkieles; die Schulterblätter ſind ſhmal und verhältnismäßig kurz, die lufthaltigen Oberarmknochen faſt ſo lang wie die Vorderarmknochen , die Oberſchenkelbeine niht lufthaltig. Die Zunge ähnelt der eines Huhnes, iſt mäßig lang und breit, der Shlund ziemlih weit, ohne Kropf, der Vormagen im Verhältniſſe zu dem kräftigen, großen und ſtarken Muskelmagen klein, der Darmſchlauch ungefähr neunmal länger als der Rumpf. Höchſt merkwürdig iſt der Verlauf der Luftröhre, die bei beiden Geſchlechtern eine ähnliche, aber do<h niht übereinſtimmende Bildung zeigt. Sie beſteht aus mehr als 300 knöchernen Ringen, läuft am Halſe gerade herab und tritt dur< eine derbe, die beiden Äſte der Gabeln verbindende ſehnige, dichte Haut an der Verbindungsſtelle der Gabeläſte in den Kiel des Bruſtbeines, biegt ſih beim Weibchen hinter der Mitte des Bruſtbeines in einem Bogen um, ſteigt wieder nach oben, biegt ſi< na< unten zurü> bis in die erſte Windung hinein, geht dann hinter dem erſten abſteigenden Teile no<mals nah oben und ſteigt nun zwiſchen den beiden Schlüſſelbeinen in die Bruſthöhle; dieſe Windung beträgt ungefähr die Hälſte der ganzen Länge. Beim Männchen läuft ſie dicht hinter dem Kiele bis zu deſſen Ende und biegt ſich nahe am Hinterrande in einem ſpigen Winkel in den aufſteigenden Teil um, der in einer Vertiefung an der hinteren Bruſtbeinflähe emporſteigt. Daß die ſtarke Stimme der Kranichvögel mit dieſem Baue in Verbindung ſteht, unterliegt keinem Zweifel.

Jeder Erdteil beherbergt beſondere Arten von Kranichen, Aſien die meiſten. Ausgedehnte Sümpfe und Moräſte bilden ihre Wohnſiße; ſolhe, welche an bebautes Land grenzen, ſcheinen bevorzugt zu werden, da ſie ebenſogut im Sumpfe wie auf den Feldern Nahrung ſuchen. Sie gehen mit abgemeſſenen Schritten, jedo<h zierlich einher, gefallen ih in anmutigen tanzartigen Sprüngen, bewahren ſtets eine gewiſſe Würde, waten ziemlich tief ins Waſſer, ſind auch im ſtande, zu ſchwimmen, fliegen leiht, ſ<hön, oft {hwebend und große Kreiſe beſchreibend, mit gerade ausgeſtre>tem Halſe und Beinen, meiſt in hoher Luft dahin, haben eine laute, durchdringende Stimme, ſind klug und verſtändig, gewöhnlich auch heiter, ne>luſtig, aber ebenſo kampfmutig und ſelbſt mordſüchtig, zeigen ſih gegen ihresgleihen äußerſt geſellig und nehmen auch gern Familienverwandte unter ſich auf, bekümmern ſich ſonſt aber wenig oder niht um andere Tiere oder maßen ſich, wenn ſie es thun, die ODberherrſchaft über dieſe an. Jhre Thätigkeit währt vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend; doch widmen ſie nur wenige Morgenſtunden dem Aufſuchen ihrer Nahrung, die übrige Zeit der Geſelligkeit. Auf ihrem Zuge, der ſie bis in die Wendekreisländer bringt, reiſen ſie faſt ununterbrochen, bei Nacht wie bei Tage, legen deshalb au< ihre Wanderungen in überraſchend kurzer Zeit zurück. :

Alle Kraniche nehmen zwar gelegentlih auh Kerbtiere und Würmer, einen kleinen Lur< oder ein Fiſhchen mit auf, plündern zuweilen ebenſo ein Vogelneſt aus, ſcheinen aber doch tieriſhe Nahrung nur als Le>erei zu betrachten. Körner verſchiedener Art, insbeſondere Getreide, außerdem Knoſpen, Blätterſpißen, Wurzeln oder Knollengewächſe bilden ihre Nahrung. Da, wo ſie häufig auftreten, können ſie dur< Näubereien im Felde läſtig werden; bei uns zu Lande wird man jedo<h den Schaden nicht hoch anſchlagen dürfen, da ihre Anzahl von Fahr zu Jahr abnimmt.

Das Neſt ſteht in tiefliegenden oder doh in ſumpfigen Gegenden; zwei länglihrunde/ auf grünlichem Grunde braun gefle>te Eier bilden das Gelege. Beide Gatten brüten abwechſelnd und aßen anfänglih die Jungen, die wahrſcheinlich während der erſten Tage im Neſte verweilen und dann erſt ausgeführt werden.

Die Kraniche haben wenige Feinde. Jn ihrer Winterherberge werden einzelne, wie ih aus Erfahrung weiß, von Krokodilen weggeſchnappt: andere Tiere, die ihnen gefährlich werden könnten, ſind mir niht bekannt. Der Menſch verfolgt ſie hier und da ihres Fleiſches

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