Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Schleichen: Allgemeines. Scheltopuſik. 101

Geltung, was wir bei der vorigen Familie geſagt haben, doh mag bemerkt werden, daß ſich die Häutung abweichend von der der meiſten Echſen, und namentlih der Wühlechſen, ganz ſo vollzieht wie bei den Schlangen, indem alle Arten der Gruppe die alte Haut in einem einzigen, ungeteilten Stü>e, einem e<ten Natternhemde, auszuziehen im ſtande ſind.

Alle Glieder der Familie leben auf dem Boden, nur einige Arten der amerikaniſchen Gattung Gerrhonotus exflettern ſelbſt niedere Büſche und | chiefſtehende Bäume. Von der Blindſchleiche wiſſen wir, daß ſie lebende Junge zur Welt bringt, von Gerrhonotus, daß eine Art (G. multicarinatus) 17 Eier gelegt hat. Unterſchieden werden 7 Gattungen mit 45 Arten, von welchen der bei weitem größte Teil Mittelamerika und Weſtindien bewohnt, während nur wenige Formen bis nah Nord- und Südamerika reichen. Nur 3 Arten bewohnen Europa und die Küſtenländer des Mittelmeeres; eine einzige findet ſi< im Himalaja und in Barma.

Auch die Schleichen entnehmen ihre Nahrung ausſchließlih dem Tierreiche: die {<wä: heren Arten begnügen ſih mit Kerbtieren, Spinnen, Aſſeln, Na>tſhne>en, Würmern und dergleichen, die größeren ftellen neben ſol<her Beute au<h Wirbeltieren nach, insbeſondere anderen Kriechtieren, und einzelne von ihnen erweiſen ſih dur<h Befehdung giftiger Schlangen als nüglih. Für die Gefangenſchaft eignen ſi<h manche Arten wegen ihrer Anſpruhsloſigkeit und Unempfindlichkeit gegen veränderte Verhältniſſe in beſonderem Grade, halten bei einfachem Futter und nur einigermaßen gleihmäßiger Wärme jahrelang im Käfige aus, gewöhnen ſih bald an den Pfleger, zeigen ſi< überhaupt gut geartet und würden ſich, fönnte man ſie nah Belieben im Hauſe umherlaufen laſſen, dur Vertilgen läſtigen Ungeziefers verdient machen. i

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Fn ſchattigen Thälern der Steppen Naryn und Kuman an der Wolga entde>te Pallas eine große Sthleiche, die von den Ruſſen, wie alles ſ{hlangenähnliche Getier insgemein, Scheltopuſik genannt wird; ſpäter fand er dieſen an den Flüſſen Terek und Sarpa auf. Andere Forſcher beobachteten ihn in Ungarn, Fſtrien, Dalmatien, Griechenland, Klein: aſien, Syrien, Perſien, Transkaukaſien, Transkaſpien und Turkiſtan. Fn Marokko wird er dur eine verwandte, aber viel lebhafter gefärbte Art erſeßt. Erber traf ihn am häufigſten in der Nähe des Lago di Bocagnazza bei Zara in Dalmatien, jedoh auch ſonſt im ganzen Lande. Di> bebuſchte Thäler bilden den liebſten Aufenthalt des Scheltopuſik, und in ihnen findet er ſo vortreffliche Verſte>pläße, daß er troß ſeiner Größe niht eben leicht bemerkt wird, zumal er, ſeiner Wehrloſigkeit ſich bewußt, bei Annäherung des Menſchen regelmäßig entflieht. Alle Beobachter, welche ihn ſahen, ſtimmen in ſeinem Lobe überein. Er iſt eins der nüglihſten Kriechtiere, weil er ſi<h hauptſählih von ſchädlichen Tieren nährt. Mäuſe und Schne>en, welche leßteren er, laut Erber, ſamt den Schalen verzehrt, bilden ſeine Hauptnahrung; er ſtellt aber au< den Vipern nah und tötet und verſpeiſt ſie, ohne ſi<h vor dem anderen Echſen verderblichen Giftzahne zu fürhten. Als Erber einmal einen Scheltopuſik zu einer Kreuzotter in den Käfig ſeßte, nahm ſowohl dieſe als jener ſofort eine drohende Stellung an, während ſonſt beide ſi<h Schlangen gegenüber teilnahmlos und gleihgültig gezeigt hatten. Da unſer Beobachter nur einen Scheltopuſik beſaß, wollte er dieſen niht aufs Spiel ſeßen und entfernte ihn wieder; ſpäter aber ſcheint er anderweitige Verſuche angeſtellt zu haben, da er es iſt, der uns den Scheltopuſik als einen der wirkſamſten Vipernvertilger kennen lehrte. So tüchtig der leßtere als Raubtier au< ſein mag: dem Menſchen gegenüber benimmt er ſih mit einer Harmloſigkeit und Gutmütigkeit, die ihm jederzeit die Zuneigung des Liebhabers erwerben. Er beißt nie, läßt ſich alſo ohne jegliche Beſorgnis behandeln, ſcheint bei längerer Gefangenſchaft eine