Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Scheltopuſik: Lebensweiſe. Weſen. Gefangenleben. Alter. 103

bei der Ringelnatter, ſein — After. Wenn man ihn fängt, weiß er es durch die merk: würdige Drehbarkeit ſeines ſonſt ſo harten Körpers jederzeit fo einzurichten, daß er einen mit ſeinem abſcheulih ſtinkenden Unrate von oben bis unten beſudelt. Hiermit begnügt er ſi aber auch; denn die im Verhältnis ſehr bedeutende Stärke ſeines Gebiſſes bringt er merfwürdigerweiſe dem Menſchen gegenüber nie in Anwendung. Wenn man ſieht, wie er im Freien mit einer ihm ſonſt niht eignen Schnelligkeit die Sandotter abfängt und ſie mit Leichtigkeit entzweibeißt, nimmt es wunder, daß er dieſe Kraft nicht au< zur Verteidigung anwendet; dies aber geſchieht, ſoweit meine Beobachtungen reichen, niemals.

„Wahrhaft feſſelnd für den Beobachter wird der Scheltopuſik, wenn er eine Maus, einen Maulwurf 2c. fängt und tötet. Sobald er eine ſolche Beute gepa>t hat, dreht er ſi mit unglaublicher S<hnelligkeit ſo lange um ſih ſelbſt, daß das gefangene Tier voll: fommen matt und ſ{<windlig wird, ihm alſo niht mehr entwiſchen kann. Nunmehr erſt zerdrü>t er ihm den Kopf und fängt an, es zu verzehren. Letzteres erfordert geraume Zeit, da er ſeine Beute immer nur ſtü>weiſe zu ſi< nimmt und ſein Gebiß doh niht ſo ſcharf iſt, als daß es Haut und Sehnen dur<ſ<hneiden könnte. Eidechſen haben an ihm einen höchſt gefährlihen Nachbar; denn er beißt ihnen die Schwänze ab und verzehrt ſie, während ihm das übrige niht zu munden ſcheint.

„Die Liebe des Scheltopuſik iſt eine außerordentlih feurige. Während der Begattung vergißt er alles um ſi< her, läßt ſi dann ſogar dur den Fang nict ſtören. Von einem Verſte>e aus beobachtete ih, daß das Männchen während dieſer nach allem ſhnappte, was ihm in die Nähe kam. Beide Gatten ſind infolge der ſtarken und za>igen Doppelrute des Männchens ſo innig vereinigt, daß man ſie, ohne lebteres zu beſchädigen, vor vollzogener Begattung nicht zu trennen vermag. Die Eier werden unter dihtem Gebüſche und Laubſchichten, dem beliebteſten Aufenthalte des Tieres ſelbſt, abgelegt. Die Jungen ſind in der Färbung von den Alten ganz verſchieden, ſcheinen au< mehrere Jahre durhleben zu müſſen, bevor ſie ihren Erzeugern ähnlih werden. Fnwiefern ih nah dem Wachstum meiner Gefangenen zu einem Urteil berehtigt bin, weiß ih niht; troßdem glaube ich nict zu irren, wenn ih das Alter eines ausgewahſenen Scheltopuſik auf 40—60 Fahre annehme.“

Jh habe neuerdings viele Scheltopuſiks gepflegt und kann Günthers und Erbers treffliche Beobachtungen faſt in jeder Beziehung beſtätigen. Nur die Bewegungen der Tiere ſind mix niht ſo anmutig erſchienen, wie ih na< Erbers Bericht erwartete; denn dem Scheltopuſik fehlt die Geſchmeidigkeit der Schlangen ebenſo wie die Behendigkeit der Eidechſen, und ſeine Bewegungen erſcheinen daher, wie auh F. Leydig hervorhebt, ziemlich ungefüge, die Windungen kurz und hart. Hinzufügen will ih no<, daß man Sceltopuſiks in beliebiger Anzahl und in allen Altersſtufen zuſammenſperren darf, ohne Unfrieden oder vollends Umbringen und Auffreſſen der ſchwächeren dur ſtärkere befürchten zu müſſen.

Der Scheltopuſik (Ophisaurus apus, Lacerta apus und apoda, Bipes pallasi, Chalcida und Chamaesaura apus, Pseudopus pallasï, oppeli, serpentinus und apus, Seps scheltopusik, Proctopus pallasi, Ophisaurus serpentinus, Abbildung S. 104) vertritt die Gattung der Panzerſhleihen (Ophisaurus) und fennzeihnet ſih dur folgende Merkmale: Der Leib iſt ſ{<langenähnli<, lang, walzenförmig, ſeitlih etwas zuſammengedrüdt, faſt von gleicher Dicke wie der Hals, der Kopf deutlich abgeſetzt, viere>ig, etwa ebenſo lang wie hoh, an der Schnauze verlängert und zugeſpißt, der Schwanz von mehr als halber Körperlänge, dünn und einfach zugeſpitzt. Von den Vorderfüßen bemerkt man feine Spur, von den hinteren nur eine Andeutung in Geſtalt unförmlicher Stummel. Die Augen haben einen runden Stern und vollſtändige Lider; die Ohren, die kleine