Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3
8 Ein Bli>k auf das Leben der Geſamtheit.
umgebenden Falz der Haut eingelaſſen iſt und ſo den beweglichen Apfel von vorn ſ{ütt. Die Thränenflüſſigkeit füllt den Naum zwiſchen dieſer Kapſel und dem Augapfel aus und fließt dur einen weiten Kanal an dem inneren Augenwinkel in die Naſenhöhle aus. Das obere Augenlid iſt faſt bei allen übrigen Kriechtieren wenig ausgebildet und beſteht gewöhnlich nur in einer ſteifen, halbknorpeligen Hautfalte, während das untere, weit größere und beweglichere den ganzen Augapfel überziehen kann, oft von einem beſonderen Knochenplätten geſtüßt wird und in anderen Fällen dem Sehloche gegenüber eine durhſihtig geſchliffene Stelle beſißt. Bei den meiſten Eidechſen, den Schildkröten und Krokodilen tritt hierzu noch die Nickhaut, die oft ebenfalls eine Knorpelſpange enthält und von dem vorderen Augenwinkel her mehr oder minder weit über das Auge herübergezogen werden kann. Vollkommen vereinzelt ſtehen unter den Kriechtieren die Chamäleons, die ein freisförmiges an dem vorgequollenen Augapfel eng anliegendes Augenlid haben, das nur eine ſ{hmale Öffnung zeigt, und dem auch eine weit größere Beweglichkeit eigen iſt, als ſie ſih bei anderen Kriechtieren findet. Die inneren Teile des Auges unterſcheiden ſi< wenig von denen der höheren Tiere.“
Bei vielen Kriechtieren ſind die Augen nicht ſehr beweglich; es kommt jedoh auh das Umgekehrte vor, und zwar in einem Maße wie bei keinem ſonſt bekannten Tiere weiter: das Chamäleon iſt im ſtande, ſeine Augen unabhängig voneinander in verſchiedener Richtung zu drehen. Die Regenbogenhaut hat meiſt eine lebhafte Färbung; der Stern iſt bei einzelnen rund, bei anderen ſenkre<ht geſpalten, wie bei Kaßen oder Eulen, dann auh einer großen Ausdehnung fähig und geeignet, ein Nachtleben zu ermöglichen, bei no< anderen in querer Nichtung verlängert. Einen Muskel der den Augenſtern erweitert, und zwar einen ſtarken, aus quergeſtreiften Faſern beſtehenden, beſizen, nah FJ. Koganëi, Schlangen und Eidechſen; den Alligatoren aber fehlt ein ſolcher.
Eine der merkwürdigſten Entde>ungen im lezten Fahrzehnt iſt der Nahweis des Neſtes eines Sinneswertzeuges, das man Stirnauge genannt hat. Es hat den Bau eines Manteltierauges und liegt, von der Haut überde>t, aber oftmals dur< Form und Färbung deutlih von ſeiner Umgebung abgehoben, mitten auf dem Scheitel; die ſogenannte Zirbeldrüſe iſt nichts anderes als der Stiel dieſes Scheitelauges. Beachtet man außerdem, daß ſchon bei einer Lurchordnung und bei gewiſſen Kriechtierordnungen des Rotliegenden ſich in der Scheitelnaht ein Loh findet, das in ſeiner Lage dem Stirnauge bei den lebenden Eidechſen und Schildkröten vollſtändig entſpricht, ſo müſſen wir annehmen, daß dies Scheitelauge bei den Vorfahren der heutigen Wirbeltiere eine große Rolle geſpielt und als ein bis jeßt unbekanntes Sinneswerktzeug gedient hat. Nur bei der Brücenechſe iſt übrigens auch heute noch die Verbindung des Scheitelauges mit der Zirbeldrüſe erhalten. Während einzelne Forſcher annehmen, daß dieſes bei den Eidechſen und der Brü>kenechſe auch jezt no<, wenn auh nur in beſchränkter Weiſe, als Sehwerkzeug dient, wollen es andere für ein Hautoder Wärmeſinnes8organ ausgeben und wieder andere ihm für die Feßtzeit jede Thätigkeit abſprechen. Daß es in der Vorzeit ein Sinnesorgan geweſen iſt, ſteht dur<h H. Credners Unterſuchungen feſt, der aus der Stellung, Form und Größe der Scheitelſhuppen foſſiler Lurche dieſe Anſchauung feſt begründet hat, daß es aber in der Jebtzeit noh in irgend einer Weiſe thätig ſei, verneint F. Leydig, der ſich vergebens bemüht hat, einen zu dieſem angeblichen Sinneswerktzeug laufenden Nerven nahzuweiſen. Dagegen hat dieſer Gewährsmann ganz neuerdings noh ein Paar von Nebenſcheitelaugen gefunden, die in Vau, Lage und mit dem Scheitelauge zuſammen in ihrer Dreizahl den einfachen Augen vieler Kerbtiere merkwürdig ähnlih ſehen. Manches bleibt uns in der Kenntnis dieſer Sinneswerkzeuge noh rätſelhaft, aber wir glaubten, dieſe wihtigen Neufunde im Bau der Kriechtiere, wenn ſie auh no< niht abgeſchloſſen ſind, hier niht übergehen zu dürfen.