Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

50 Erſte Unterordnung: Eidechſen; dritte Familie: Agamen.

Im Süden und Oſten der Alten Welt tritt zu den bisher genannten Gruppen die zahlreiche Familie der Agamen (A gamidae), von welchen man gegenwärtig 30 Gattungen mit über 200 Arten kennt. Die Geſtalt der hierher gehörigen E<hſen iſt in hohem Grade verſchiedenartig: der Leib bald gedrungen, bald geſtre>t, bald von oben nah unten, bald von einer Seite zur anderen zuſammengedrü>t, im allgemeinen aber kräftig, der Kopf furz und breit, der niht zerbre<li<he Schwanz lang, ſpizig, oder kurz und kräftig, die übrige Gliederung wohl entwi>elt. Zahlreiche kleine, flahe oder ſanft gewölbte Schilde von ſtets ungleiher Größe bede>en den Kopf, größere, meiſt verſchoben viere>ige Schindelſhuppen den Rüden, die Seiten und die unteren Teile des Leibes. Zu ihnen treten jedoch ſehr häufig allerlei verlängerte Horngebilde, die bald den Kopf allein mit Spißen und Za>en bewehren, bald einen Rü>en- und Shwanzkamm bilden, bald endlih ſi< über den ganzen Leib erſtre>en. Die Zunge iſt di> und ihrer ganzen Länge nah am Grunde feſtgewachſen, an der Spitze höchſtens leiht ausgerandet und niht vorſtre>bar. Die „akrodonten“ Zähne ſind mit dem Rande der Kieferknochen verwachſen und ein Paar von ihnen in jedem Kiefer meiſt hundszahnartig vergrößert. Das Schlüſſelbein iſt am inneren Ende nicht verbreitert. Jn allem übrigen bekunden die Agamen ſo wenig Übereinſtimmung, daß eine weitere Schilderung bis zur Beſchreibung der einzelnen Gattungen aufgeſpart bleiben muß.

Das Verbreitungsgebiet der Agamen beginnt im ſüdöſtlihen Europa und reiht nah Süden hin bis zum Vorgebirge der Guten Hoffnung, nah Oſten hin bis China, begreift auh die ſüdaſiatiſhen Eilande und Auſtralien und Polyneſien in ſi<h. Jn Südaſien erlangt die Familie ihre größte Entwi>elung, da hier ungefähr die Hälfte aller bekannten Arten gefunden wird. Die übrigen verteilen fi<h auf Auſtralien, das verhältnismäßig rei an dieſen Echſen iſt, und verbreiten ſi<h dur< die Wüſten Mittel- und Weſtaſiens ſowie dur< ganz Afrika bis Griechenland und Südrußland. Faſt alle Arten ſind mehr oder minder vollkommene Landtiere; niht wenige von ihnen bewohnen ſogar die dürrſten und tro>enſten Örtlichkeiten innerhalb ihres Gebietes, wogegen andere wiederum nur in feuchten Gegenden, hier jedo<h ſo gut wie ausſchließli<h auf Bäumen hauſen. Gerade von den Agamen darf man behaupten, daß ſie die Wüſten Afrikas und Mittelaſiens ebenſo beleben, wie ſie die in höchſter Fülle prangenden Waldungen Südaſiens {müd>en. Sie ſind es, von welchen ſchon die älteſten Reiſenden mit mehr oder weniger Anerkennung und Bewunderung ſprechen; ſie rufen no< heute das Entzücken deſſen wach, der ſie in ihrer vollen Lebensthätigkeit, in der Pracht ihrer wunderbaren, oft jähem Wechſel unterworfenen Farben ſehen fann. Alle Arten müſſen als harmloſe Tiere betrachtet werden; ſelbſt die wehrhafteſten unter ihnen fügen weder dem Menſchen noh dem Beſtande der höheren Tierwelt irgend welhen Schaden zu. Die meiſten nähren ſi<h von Kerbtieren verſchiedenſter Art, niht wenige, vielleiht mehr, als wir zur Zeit annehmen können, aber auh von Pflanzenſtoffen, Früchten, Gräſern wie Baumblättern, die ſie auf dem Boden oder in der Höhe des Gezweiges abrupfen. Alle ohne Ausnahme ſcheinen Eier zu legen, die noh der Entwickelung außerhalb des Mutterleibes bedürſtig ſind, keine einzige Art aber lebende Funge zur Welt zu bringen.

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„Man ſagte mir“, ſo erzählt Herodot, „bei der Stadt Butus in Arabien ſei ein Ort, wo es fliegende Schlangen gäbe. Jh reiſte deshalb hin und ſah daſelbſt eine unglaubliche Menge Knochen und Gräten in zahlloſen größeren und kleineren Haufen. Der Ort liegt in einem von Bergen umgebenen Thale, welches ſih in die weite Ebene Ägyptens öffnet, Es wurde geſagt, dieſe geflügelten Schlangen flögen im Frühlinge aus Arabien na< Ägypten, begegneten aber beim Ausgange des Thales dem Fbis, von welchem ſie