Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Axolotl: Beobachtungen über die Entwikelung. Schlußfolgerungen. TCS)

dieſer lezten Zeit nahm das Tier Nahrung zwar auf, aber nur, wenn man es dazu nötigte. Bei zwei anderen ging die Entwi>elung langſamer von ſtatten. Dieſe beiden ſuchten niht ſo häufig die ſeichten Stellen auf und ſeßten ſih im allgemeinen auch nicht ſo lange der Luft aus, ſo daß die größere Hälfte des Januar verſtrich, bis ſie ganz aufs Land gingen. Nichtsdeſtoweniger dauerte das Eintro>nen der Kiemenquaſten nicht längere Zeit als bei den beiden erſten. Ebenſo erfolgte auc die erſte Häutung, ſobald ſie aufs Land gekrochen waren. Der lette Axolotl, der von Anfang an | <wä<hliher ausſah als die anderen und au im Wachstume auffallend zurüblieb, zeigte noch viel beträchtlichere Abweichungen bei der Verwandlung als die beiden leßterwähnten. Er gebrauchte 14 Tage anſtatt 4, um die Verwandlung ſo weit zu vollenden, daß er das Waſſer verlaſſen konnte. Bei ſeiner Zartheit und ſ{<wählichen Natur war er ſelbſtverſtändlich für alle äußeren Einflüſſe viel empfindlicher als die anderen. Wurde er der Luft zu lange ausgeſeßt, jo nahm er eine hellere Färbung an und gab außerdem einen eigentümlihen Geruch von ſich, ähnlich dem, den Salamander verbreiten, wenn ſie geängſtigt oder gefährdet werden. Wurde er, wenn ſolche Erſcheinungen eintraten, wieder in tieferes Waſſer zurückgebracht, ſo tauchte er ſofort unter und erholte ſi< allmählich wieder. Die Kiemen aber entfalteten ſih dann immer von neuem. Derſelbe Verſuh wurde wiederholt angeſtellt und war jedesmal von dem nämlichen Erfolge begleitet, woraus geſchloſſen werden darf, daß durch die Ausübung eines allzu heftigen Zwanges zum Zwe>e der Beſchleunigung des Umwandlungsherganges ein Stillſtand und bei fortgeſeßtem Zwange ſogar der Tod eintreten kann.

Aus dieſen Beobachtungen ſchließt Fräulein Marie von Chauvin Folgendes: Axolotl: Larven vollenden zum größten Teile, wenn niht alle, ihre Verwandlung, wenn ſie geſund aus dem Eie ſ<hlüpfen und richtig gefüttert werden, und zweitens, wenn man Einrihtungen trifft die ſie vom Atmen unter dem Waſſer zum Atmen über dem Waſſer nötigen.

Weismann zieht aus vorſtehenden Mitteilungen verſchiedene Schlüſſe. Er hält zunächſt den Axolotl niht für eine Fortſchritts-, ſondern für eine Nückſhlagsform und glaubt, daß die Tiere, die heute die Seen von Mexiko bevölkern, in früheren Zeiten bereits ausgebildete Molche waren, bei Veränderung in ihren Lebensbedingungen aber wieder auf die frühere Stufe der Fiſhmolche zurügeſunken ſeien. Dieſer Rückſchlag iſt nac ſeiner Meinung dadurch veranlaßt worden, daß dem Axolotl die Möglichkeit, ans Land zu gehen, entzogen und er zum Verharren im Waſſer gezwungen wurde. Jn den Seen Mexikos ſeien der Salzgehalt ſowie das zeitweilige Tro>enliegen eines Teiles der Gewäſſer Bedingungen hierfür. Der entblößte Seeboden ſei dann eine wüſtenhafte Fläche ohne Nahrung und ohne Schlupfwinkel ohne Pflanzenwelt bede>t mit einer Salzkruſte, welche die Ernährung der Tiere auf dem Lande geradezu unmöglih machen würde. Durch A. von Humboldt wiſſen wir, daß der Spiegel des Sees von Mexiko in verhältnismäßig neuer Zeit um ein Bedeutendes höher lag als heute, und ferner iſt bekannt, daß das Hochland früher mit Wald bede>t war, während dieſer jezt ausgerottet iſt. „Darf man nun annehmen“, ſagt Weismann, „Daß etwa zur Diluvialzeit die Bergwälder ſih bis zum Rande des damals noch tiefen, ſteiler abfallenden und bedeutend ſalzärmeren Sees erſtre>ten, ſo ſind damit niht nur weſentlih von den heutigen verſchiedene Lebensbedingungen gegeben, ſondern auch ſolche, wie ſie für die Ausbildung einer Salamanderform ganz beſonders günſtig waren. Somit dürfen wir wohl mit einiger Sicherheit annehmen, daß zwar beim Beginne der Diluvialzeit die Wälder von Mexiko in der Umgegend der Seen mit Querzahnmolchen bevölkert waren, daß dieſe aber ſpäter, als die Seen mehr und mehr austro>neten und die Luft mehr und mehr an Feuchtigkeit verlor, immer ſ{<hwieriger auf dem Lande leben konnten. Sie würden zulebtt völlig ausgeſtorben ſein, wenn ihnen niht durh Rückſchlag auf die Fiſchmol<form das Waſſer von neuem zugänglich geworden wäre.“