Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

76 Erſte Unterordnung: Eidechſen; vierte Familie: Leguane.

die Zauberkraft ſeines getro>neten und als Amulett getragenen Körpers gegen den böſen Blik und eine Menge anderer eingebildeter Übel. Jn Wahrheit zählt das Tierchen zu den niedlihſten Leguanen, die man kennt. Der erwähnte Gefangene, den Sumichraſt über einen Monat am Leben erhielt, war zwar ſehr lebhaft, wurde aber bald ſo zahm, daß er herbeilief, um Mücken und andere ihm vorgehaltene Kerbtiere aus der Hand zu nehmen. Ja, er ließ ſi<h ohne weiteres ergreifen und liebkoſen, ſchien ſogar dur< Liebkoſungen in das höchſte Behagen verſeßt zu werden. Wenn ſein Pfleger ihn mit der Hand ergriff, gebärdete er ſih, als ob er dur<h die Berührung magnetiſiert ſei. Streichelte man ihn auf dem Bauche, ſo kreuzte er die Vorderbeine in der Stellung eines Betenden und fiel in vollz * tfommene Unbeweglichkeit.

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Unter Baſilisk dachten ſi die alten Griehen und Römer ein ſ{langenähnlihes, mit übernatürlichen Kräften begabtes Scheuſal der abſhre>endſten Art, erzeugt auf unnatürlichem Wege, erbrütet dur< zum Brüten unfähige Lurche, unheilvoll für alles Lebende, den Halbgott Menſch niht ausgeſchloſſen. Haushahn, Schlange und Kröte wurden als die Erzeuger angeſehen: der Hahn legte mißgeſtaltete Eier, und Schlangen und Kröten bemächtigten ſi ihrer, um ſie zu zeitigen, Der Baſilisk hatte einen geflügelten Leib, einen gekrönten Kopf, vier Hahnenfüße, einen Schlangenſhwanz, funkelnde Augen und- einen ſo giftigen Blik, daß dieſer no< ſ{<limmer als das „böſe Auge“ der heutigen Südeuropäer und Morgenländer wirkte. Das von ihm ausgehende Gift erfüllte, ſo wähnte man, die Luft und tötete alles Sterbliche, das mit ſolcher Luft in Berührung kam: die Früchte fielen von den Bäumen und verdarben, Gras und Kraut verbrannten, die Vögel ſtürzten tot aus der Luft herab, Roß und Reiter erlagen. Nur ein Tier gab es, das den Baſilisken zu bannen und unſchädlih zu machen vermochte: ſein Miterzeuger, der Haushahn. Wie vor deſſen Krähen die ſpäteren Erzeugniſſe des Wahnes, Teufel, Geſpenſter und andere Spukgeſtalten, weihen müſſen, ſo war auch der Baſilisk genötigt, bis in die Tiefe der Erde zu flüchten, wenn er das Krähen des Haushahnes vernahm. Der alberne Märchhenkram wurde bis in die neuere Zeit geglaubt — niht bloß von naturunkundigen Laien, ſondern auth von ſogenannten gelehrten Männern, die über Naturgegenſtände ſchrieben, beiſpiel8weiſe von dem engliſchen Naturkundigen Topſel, dex eine köſtlihe Schilderung des Baſilisken entwirft. Kein Wunder, daß Luther den Namen dieſes Tieres gebrauchte, um mehrere dunkle Stellen des Alten Teſtamentes zu überſeßzen. „Denn ſiehe, ih will Schlangen und Baſilisken unter euch ſenden, die niht beſhworen ſind, die ſollen euh ſtehen, ſpricht der Herr!“ droht Feremias im Namen ſeines grimmigen Gottes. „Sie brüten Baſiliskeneier“, läßt ſih Jeſaias vernehmen, „und wirken Spinnenwebe; iſſet man von ihren Eiern, ſo muß man ſterben; zertritt man ſie, ſo fähret eine Otter heraus.“ Welche fürchterlichen Tiere die beiden Seher im Sinne gehabt, oder ob ſie überhaupt an Tiere gedacht haben, läßt ſich unmöglih entſcheiden; wer die Geſchwäßigkeit der Morgenländer und ihren verſ<wenderiſ<hen Gebrauh von nihtsſagenden Worten aus eigner Erfahrung kennen gelernt hat, gibt ſih au< keine Mühe, darüber nahzugrübeln. Gewiß iſt nur das eine, daß die neuere Tierkunde einen ſo bedeutſamen Namen ſi< nicht entgehen ließ und ihn ebenſo wie die alter Götter und Göttinnen, Helden, Nymphen, Nixen, Dämonen, Teufel und ähnlicher Phantaſiegebilde in ihrer Namengebung verwendete.

Die Baſilisken, die eine Gattung (Basiliscus) mit 4 Arten bilden, tragen im männlichen Geſchlehte auf dem Hinterkopfe einen hohen, häutigen Zipfel und auf dem Rücken und auf dem Anfange des Schwanzes einen Hautkamm, der durch die Dornenfortſäße der Wirbel geſtüßt wird, ſowie Schuppenſäume an der Außenſeite der Zehen