Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

170 Erſte Drdnung: Stachelfloſſer; dreiundvierzigſte Familie: Stichlinge.

der Stichling langſam über die befeſtigten Teile wegſ<hwimmt und ſie dabei leimt und zuſammenkittet. Deutlich beobachtete Evers, wie der kleine Baumeiſter, nachdem er neue Stoffſchichten hinzugefügt, die Floſſen ſchüttelte, den Kopf erhob, den Leib auswärts bog, mit dem ganzen Unterleibe über den Bau wegglitt und nunmehr einen im Waſſer gut erkennbaren Klebſtofftropfen ausſchied, deſſen Wirkung an den nun zuſammengeleimten Bauſtoffen ſih ſofort zeigte. Zuweilen ſchüttelt er an dem Baue und drü>t ihn dann wieder zuſammen; zuweilen hält er ſi< <hwimmend über ihm, verurſacht mit ſeinen Floſſen, die er raſh hin und her bewegt, einen Strom und wäſcht damit die zu leichte Bede>kung und einzelnen Halme des Neſtes weg, nimmt ſie von neuem auf und verſu<ht, ſie paſſender unterzubringen. Das Herbeiſchaffen der verſchiedenen Bauſtoffe währt etwa 4 Stunden: na< Ablauf dieſer Zeit iſt au< das Neſt in ſeinen rohen Umriſſen vollendet; der Ausbau aber, das Ausſcheiden der zu leichten Teile, das Ordnen einzelner Halme, das Verflechten ihrer Enden und das Beſchweren mit Sand beanſpru<ht mehrere Tage. Während des Bauens hat der Stichling nur ſeine Arbeit und die Verhinderung jegliher Störung im Sinne. Emſig ſchafft er, und mißtrauiſh beobachtet er jeden Ankömmling, ſei er ein anderer Stichling, ein Molch, ein Waſſerkäfer, eine Larve, und komme er mit böſer Abſicht oder harmlos in die Nähe des Neſtes: ein Waſſerſkorpion in einem der unter Evers’ Pflege ſtehenden Behälter wurde von dem bauenden Männchen dreißig und mehr Male ergriffen und im Maule bis auf die entgegengeſeßte Seite des Beens getragen! Die Größe des Neſtes iſt ſehr verſchieden, da ſie ebenſowohl dur<h den Standort wie dur die Bauſtoffe beeinflußt wird; dur<ſ<nittli< mag es Fauſtgröße haben. Gewöhnlich iſt es länglihrund und oben vollſtändig geſchloſſen, ſeitlih dagegen mit einem Ein- und Ausgange verſehen.

Anfänglich bemerkt man nur den Zugang zum Fnneren, ſpäter ihm gegenüber auh den Ausgang. Wenn nämlich der Stichling ſeinen Bau vollendet hat, verſucht er Weibchen herbeizuloden. Warrington ſagt, daß ein fertiges Neſt die Aufmerkſamkeit des herbeifommenden Weibchens errege, Coſte dagegen, daß das Männchen ausgehe, um Weibchen herbeizuſchaffen, und ſie unter vielfahen Liebkoſungen in die Hochzeitskammer einführe. Mit leßbterem ſtimmt au<h Warrington überein. Das Männchen legt erſichtli<h Vergnügen an den Tag, ein Weibchen gefunden zu haben, umſ<hwimmt es in allen Richtungen, begibt ſi< ins Neſt, fegt es aus, kehrt einen Augenbli> ſpäter zurü> und trachtet, die Gattin dur<h Stoßen mit der Schnauze ins Junere zu treiben. Will ſie ſi< niht gutwillig fügen, ſo wird auh der Stachel oder wenigſtens die Schwanzfloſſe gebraucht, um womöglich die Sprödigkeit zu beſiegen, nötigen Falls aber ein anderes Weibchen herbeigeſchafft. Gelingt es dem Männchen, ein Weibchen zum Eingange zu bewegen, ſo legt es einige Eier, nah Coſte 2 oder 3, bohrt auf der dem Eingange entgegengeſeßten Seite ein Loch durch die Neſtwandung und entfernt ſich. Fortan hat alſo das Neſt zwei Öffnungen, und den Eiern kommt der nunmehr durchgehende Waſſerſtrom zu gute. Am nächſten Tage begibt ſich das Männchen wiederum auf die Brautſchau, bringt günſtigen Falls ein zweites Weibchen herbei, bewegt auch dieſes mit Güte und Gewalt, zu legen, und wiederholt ſein Bemühen, bis eine genügende Anzahl von Eiern vorhanden iſt. Während oder unmittelbar nah dem Legen begibt es ſih in das Neſt, reibt ſeine Seite an der des Weibchens und ſtreicht dann über die Eier hin, um ſie zu beſamen.

Von nun an verdoppelt es ſeinen Eifer und ſeine Wachſamkeit. Es gilt, die Eier vor jedem Angriffe zu bewahren und zu verteidigen. Jeder andere fortan ſih nähernde Stichling wird mit Wut angefallen und in die Flucht geſchlagen, gleichviel ob es ſih um Männchen oder Weibchen handelt; denn dieſe gefährden die Eier in demſelben Grade wie jene, ſind vielleiht noh lüſterner nah ihnen oder den eben ausgeſ{<lüpften Jungen. Bis zum Auskriechen der leßteren bekundet das Männchen auch noch in anderer Art ſeine Sorgfalt.