Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4
PPS Dritte Ordnung: Weichfloſſer; fünſte Familie: Flachfiſche.
Grunde zugekehrte Seite iſ ungefärbt und wird gemeiniglih die blinde Seite genannt; die obere, dem Lichte ausgeſeßte Seite zeigt eine mannigfaltige, bei einigen tropiſchen Arten ſogar lebhafte Färbung. Die Rückenfloſſe nimmt den zugeſhärften Firſt des Nüctens, die Bauchfloſſe die in derſelben Weiſe abgeplattete Kante des Bauches ein; die Shwanzfloſſe ſieht, den verſchiedenen Seiten entſprechend, ebenfalls auf der einen Seite anders als auf der anderen aus, obgleih ihre Bildung eine regelre<hte genannt werden muß. Fn der Kiemenhaut zählt man gewöhnlih 7 Strahlen. Jn dem Maule finden ſih verſchiedene, jedoh in der Negel entweder ſtarke oder bürſtenförmige Zähne. Die Bauchhöhle nimmt nur einen ſehr kleinen Raum ein, verlängert ſih aber bis in die Shwanzgegend. Die Verdauungswerkzeuge ſind einfah. Eine Shwimmblaſe fehlt.
Es läßt ſi< von vornherein annehmen, daß die abſonderliche Geſtaltung eine unſeren Fiſchen mehr oder weniger eigentümliche Lebensweiſe bedingt, oder, wie ſih einzelne auszudrüen pflegen, daß ſie dur< die Lebensweiſe erklärt wird. Dieſe weiht nun allerdings feineswegs weſentli von der anderer vollkommen regelre<t gebauten Fiſche ab, ſteht aber, wie ſelbſtverſtändlich, mit dem Baue der Flachfiſche im innigſten Einklange. Unſere Tiere, die in mehr als 180 verſchiedenen Arten die Meere bevölkern und auch in Strömen und Flüſſen aufſteigen, leben hier wie dort auf dem Boden, die eine Seite auf den Grund gedrüd>t, die andere mit den Augen nach oben gekehrt, liegen ſo während des größten Teiles ihres Lebens auf der Lauer und bewegen ſi faſt nur, wenn es gilt, Beute zu gewinnen oder ſi vor größeren Räubern zu bergen. „Alle Schollen oder Flachfiſche“, ſagt Günther, „machen mit zunehmendem Alter auffallende Veränderungen durch, die jedoch ſehr unvollſtändig bekannt ſind und noch nicht vollkommen verſtanden werden, infolge der Shwierigkeit, Larvenformen mit ihren betreffenden Muttertieren in Beziehung zu bringen. Die Larven werden, mert würdig genug, viel häufiger auf hoher See als in der Nähe der Küſten angetroffen; ſie ſind dur<ſcheinend, vollkommen ſymmetriſch gebaut, mit einem Auge an jeder Seite des Kopfes, und ſ{<wimmen in ſenkrehter Stellung wie andere Fiſche. Die Art und Weiſe, wie das eine Auge von der ſpäteren blinden auf die gefärbte Seite übertritt, iſt eine Streitfrage. Während einige Naturforſcher annehmen, daß ſih das Auge, ſih um ſeine Achſe drehend, dur die ausweichenden Knochen hindur< ſeinen Weg von der blinden nach der oberen Seite bahne, behaupten andere, daß, ſobald der Körper des Fiſches anfange, nur auf einer Seite zu ruhen, das Auge dieſer Seite, in ſeinem Beſtreben, ſi< dem Lichte zuzuwenden, die umliegenden Teile des Kopfes mit ſih herüberziehe. Jn der That iſt der ganze Vorderteil des Kopfes gegen die gefärbte Seite gedreht, ein Vorgang, der, ſolange das Kopf gerüſt noh knorpelig iſt, nux geringen Schwierigkeiten begegnet.
„Flachfiſche leben im erwahſenen Zuſtande ſtets auf dem Grunde und ſ{<hwimmen durch wellenförmige Bewegung ihres Körpers. Manchmal erheben ſie ſih an die Oberfläche; ſie ziehen ſandigen Grund vor und ſteigen niht zu beträhtlihen Tiefen hinab. Sie kommen in allen Meeren vor, mit Ausnahme der in den höchſten Breiten und der an felſigen, ſteil abfallenden Küſten, und werden gegen den Gleicher hin am zahlreichſten; die größten kommen in den gemäßigten Gürteln vor. Einige beſuchen häufig das ſüße Waſſer, und andere haben ſich vollſtändig in Teichen und Flüſſen eingebürgert. Alle ſind Fleiſchfreſſer.“
So zahlreich die Familie iſt, und ſo erheblich die Unterſchiede in Leibesbau, Beſchuppung und Färbung ſind: in ihrem Weſen und Treiben kommen alle Flachfiſche miteinander überein; mag es genügen, wenn ih mi<h im Nachſtehenden auf die an unſeren deutſchen Küſten vorkommenden Arten beſchränke und, unter Berückſichtigung der CEigentümlichkeit einzelner, ein allgemeines Lebensbild zu zeihnen verſuche.