Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, page 314
276 Vierte Ordnung: Edelfiſche; dritte Familie: Karpfen.
Schläge ſeines Kopfes abzutreiben ſu<ht. Spielend jagen ſi< Männchen und Weibchen “umher, und vergnüglih gefallen ſie ſi< in munteren Sprüngen, die ihnen im unüberde>ten Be>en man<hmal freilih auh gefährlih werden können. Reges Leben beginnt mit Eintritt der Fortpflanzungszeit, deren Herannahen ſi<h dur< das geſchilderte Farbenkleid des Männchens ſowie Vollerwerden der Leibesſeiten und Hervortreten der Legeröhre des Weibchens kundgibt. Die Legeröhre verlängert ſi anfänglich ſehr langſam, ſpäter raſcher, zuleßt ungemein {nell und verkürzt ſi< na<h dem Ablegen der Eier binnen wenigen Stunden bis auf einen geringen Bruchteil ihrer größten Ausdehnung. Für das Männchen iſt die gewöhnlih jählings erfolgende größte Ausdehnung der Legeröhre ſtets Anlaß zu lebhafter Erregung, die ſih, wie bei anderen Fiſchen, in erhöhter Färbung und lebhafter Unruhe, au< ausgeſprochener Eiferſucht bethätigt. Erboſt jagt es andere ſeines Geſchlehte3 umher; heftig treibt es aber auh das erkorene Weibchen, bis bei dieſem die ihm ſonſt eigne gleihgültige Ruhe ebenfalls lebhafter Erregung weiht und es ſih endlih zu der von dem Männchen erkorenen Muſchel begibt, um die Eier abzulegen. Sobald das Ei in ſie eintritt, ſteift ſich die Legeröhre und verharrt in dieſem Zuſtande, bis jenes ausgeſtoßen worden iſt. Vor dem Laichen ſtellt ſi< das Weibchen ſenkre<t, mit dem Kopfe nah unten gerichtet, über die Muſchel, betrachtet ſie längere Zeit und fährt in demſelben Augenbli>e, in welchem ein Ei in die Legeröhre einſchießt und ſie ſtre>t, auf das zur Amme erkorene Weichtier hinab, um die Spitze der Röhre in deſſen Atemſchliß einzuſchieben, das Ei abzugeben und die Nöhre \<hleunigſt wieder herauszuziehen. Nicht immer gelingt es dem Fiſchchen, ſeine Legeröhre einzuführen und das Ei abzulegen; dieſes tritt dann wiederum in den Leib zurü>, und es währt oft lange, bevor ſih neue Erregung bemerkli<h macht und der Vorgang wiederholt. Das Männchen ſieht leßterem aufmerkſam zu, ſtößt unmittelbar, nahdem das Weibchen die Muſchel verlaſſen hat, auf dieſe nieder, bleibt, am ganzen Leibe zitternd und alle Floſſen ausgeſpannt, einen Augenbli> über ihr ſtehen und ergießt endlich den Samen über ihren Atemſhliß, um ſo das Ei zu befruhten. Nach vollendetem Laichen ziehen ih beide Geſchlechter ermattet in das Gewirr der Pflanzen zurü> Und gebaren ſi< ſcheu und ängſtlih; das Männhen verliert ſeine prahtvolle Färbung, und dem Weibchen ſ{hrumpft die Legeröhre zuſammen: nach einiger Zeit, in Zwiſchenräumen von mehreren Tagen, wiederholt ſi< jedo<h der Hergang, und ſo währt es fort, bis die Laichzeit vorüber iſt. Jm Freien fällt lettere in die Monate April bis Funi, in der Gefangenſhaft beginnt ſie in der Regel ſhon früher und pflegt eher beendet zu ſein.
Soweit bekannt, erſtre>t ſich der Verbreitungskreis des Bitterlings über ganz Mittelund Oſteuropa und ebenſo über einen Teil Aſiens. Jn der Donau und ihren Zuflüſſen, im Rhein, im Gebiete der Elbe und Weichſel iſt er ſtellenweiſe häufig, ebenſo in Taurien da, wo ſi Gewäſſer finden, wie er ſie liebt. Er bevorzugt reines, fließendes Waſſer mit ſteinigem Grunde, nah von Siebold insbeſondere die ſogenannten toten Arme der Flüſſe und Bäche. Von der Ebene ſteigt er ins Hügelland und ſelbſt zum Mittelgebirge auf. Ungewöhnliche Lebenszähigkeit geſtattet ihm, der Kälte wie der Hiße zu troben. Jäel ſah ihn im März unter dem Ciſe eines ſeichten Grabens, der im vorhergegangenen Winter bis auf den Grund gefroren geweſen ſein mußte, munter umherſhwimmen und beobachtete ebenſo, daß es ihm nichts ſchadete, als er an einem warmen Herbſttage ohne Waſſer oder feuhtes Moos in einer Pflanzenſammelbüchſe eine Gehſtunde weit getragen wUrde.
Wegen des bitteren Geſchmackes, der das Fleiſch dieſes Fiſhchens für uns faſt oder wirkli ungenießbar macht, wird es wenig gefangen und gewöhnlih nux zum Ködern der Angeln benußt. Wie ſehr es als Zierfiſh die Beachtung aller Liebhaber verdient, bedarf na<h Vorſtehendem niht weiterer Auseinanderſeßung.