Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Regenerationsvermögen. Selbſtverſtümmelung. Aufenthalt, Nahrung. Paraſiti8mus. 19

Weitaus die meiſten Krebſe haben ihren Aufenthalt im Waſſer und zwar im Meere, ja eine niht unbedeutende Ordnung, die der Rankenfüßer, iſt überhaupt auf dieſes beſchränkt, während die Kiemenſüßer faſt ausſ<ließli<h Bewohner des ſüßen Waſſers ſind. Zehnfüßer, Affſeln, Hüpferlinge und Muſchelkrebſe finden ſih in ſüßem und ſalzigem Waſſer, das Land bewohnen nur einige Aſſeln und Zehnfüßer, langſhwänzige ſowohl als kurzſhwänzige, ſowie ein paar Flohkrebſe. Jn den nordiſchen, beſonders den ſ{<wediſhen und finniſchen Seen leben eine Anzahl von Formen, welche ſonſt aus dem Meere bekannt ſind (z. B. Mysis oculta, Pontoporeia affinis, Idothea entomon und Gammaracanthns Iloricatus, als Varietät lacustris, welche um ein Viertel kleiner als die Stammform iſt). Jn den Waſſeranſammlungen zwiſchen den Blättern ananasartiger, auf hohen Urwaldbäumen des tropiſchen Braſilien paraſitiſh lebender Pflanzen (Bromelia) finden fih eigenartige fleine Hüpferlinge und Muſchelkrebſe, welhe wo anders niht vorzukommen ſcheinen. Fn den Schwefelquellen von Paraviſa in Ftalien fand Paveſi Muſchelkrebschen, und die intereſſante Artemia salina, eine Kiemenfußform, iſt in den Salzpfannen von Capo d’Fſtria, in denen in der Sonne das Seewaſſer abgedampft wird, äußerſt munter in einer Lake, die mindeſtens 27—30 Prozent Salz enthält.

Die auf dem Lande lebenden Krebſe bewohnen doh meiſt feuhte Stellen und ſind in der Regel nächtliche Geſchöpfe, welche ſich, bisweilen in die Erde eingegraben, den Tag über verſte>t halten. Ein Flohkrebs (Orchestia cavimana) iſt bei Trieſt in der Nähe der Küſte ſehr häufig an feuhten Stellen. Wenn man ihn in das Waſſer bringt, geht er bald zu Grunde, er hat ſih aber ſhon ſo ſehr an das Leben auf dem Lande angepaßt, daß ex, unter der Erde eingegraben, in einen Winterſchlaf verfällt.

Nicht wenig Krebſe leben, wie die Engländer es nennen, „between tidemarks“, d. h. an einem Küſtenſtrich, der bei der Flut vom Meere bede>t, bei der Ebbe von demſelben verlaſſen iſt, und ähnlihe Arten verlaſſen in Meeren mit ſehr wenig Niveauſ<wankungen, wie im Adriatiſchen, das Waſſer gern und oft, um ſi< in ſeiner unmittelbaren Nähe zwiſchen Steinen, an Felſen und Mauern herumzutreiben. Solche Formen finden ſi< unter den Krabben, Aſſeln und Flohkrebſen. Auch manche Seeeicheln (Palanidae) ſiedeln ſi ſo ho<h an der Strandlinie an, daß ſie bei höchſter Ebbe außerhalb des Waſſers kommen. Dieſe {ließen dann einfach ihren Deckelapparat und warten die Wiederfehr der Flut ab, um ihn wieder zu öfſnen.

Was die Nahrung der Krebſe angeht, ſo beſteht dieſelbe allgemein aus tieriſchen Stoffen, ſeien es lebende Tiere, ſei es Aas. Manche Formen ſind gewaltige Räuber, und den großen Hummern ſelbſt werden eigentli<h nur Tintenfiſche gefährlich. Andere freſſen daneben au< Pflanzenkoſt, wie z. B. unſer Flußkrebs, dem der Waſſerarmleuchter (Chara) eine beſondere Delikateſſe iſt. Die Rankenfüßer und viele kleine Kruſtentiere leben von Partikelchen verweſender Pflanzen- und Tierleichen, von Fnfuſorien, Diatomeen 2c., aber auh größere Krabben des Meeres verſhmähen dieſe Koſt nicht.

Ein ſehr bedeutendes Kontingent ſtellen die Krebſe zu den Schmaroßertieren, und in gewiſſen Punkten iſt der Paraſiti#mus bei ihnen am mannigfaltigſten und intereſſanteſten entwi>elt. Vom harmloſen fleinen Zehnfüßer, welcher die Hohlräume eines Seeſ<wammes nurx als Unterſchlupf benutzt, bis zum Wurzelfüßer, der, an ſeinem Wirte feſtgeſogen, zu einem mundloſen, ganz ungeſtalten Sa entartet, ſind alle Stufen des Shmaroßertums vertreten. Aber auch die am meiſten degenerierten Formen führen in viel höherer Entwi>elung ihres Körpers in der Jugend ein freies Leben und erleiden zufolge des Paraſitismus eine rüclſhreitende Verwandlung.

Es gibt faſt keine im Meere vertretene Tierklaſſe, bei denen ſih niht au<h ſ{<maroßende Krebſe einzuniſten pflegen: ſie beziehen die Schalen der Muſcheln und die Röhren der

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