Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 557
Schmaroßer der Lungenholothurien. Flaſchenholothurien. 507 zu betrachten ſind, welche von den Säften und den Geweben der von ihnen heimgeſuchten Tiere leben. Von Krebſen fand Semper in den Lungenholothurien unter anderen zwei Arten des Muſchelwächters (Pinnotheres, \. Seite 29). „Merkwürdigerweiſe“, ſagt unſer Gewährsmann, „fanden ſih beide Arten in derſelben Holothurie, nämlich in Holothuria scabra, und zwar immer im rehten, niht mit den Darmgefäßen verbundenen Lungenaſt.“ Hier ſaßen ſie bald in Paaren, bald vereinzelt oder in großen cyſtenartigen Sä>ken am Stamme oder an den feineren Äſten der Lunge. Selten fanden ſi< mehr als zwei zuſammen. Sie ſcheinen einzuwandern, wenn ſie no< ſehr jung ſind. Teils wohl durch ihr Wachstum, teils dur den beſtändigen Reiz bildet ſih dann jene Cyſte um ſie herum, in deren Nähe immer alle Lungenäſtchen atrophieren (verkümmern); ja, einigemal habe ih \ogar beobachtet, daß die Lunge, in welcher ein ſolcher Pinnotheres ſaß, ganz rudimentär geworden war, ſtatt derſelben ſih aber eine neue an einer anderen außergewöhnlichen Stelle gebildet hatte. Dann ſaßen die Krebſe immer ſehr dicht an der Kloake, und es liegt die Vermutung nahe, daß ſie, den Eingang zu der rechten Lunge verſtopfend, die Atrophie der lebteren veranlaßt hatten, wodurch dann wieder das Tier angeregt wurde, ſich eine neue Lunge zu bilden.“
Was dieſe Fähigkeit, verloren gegangene Teile wieder zu bilden, betrifft, ſo fehlen uns für die Holothurien ausgedehnte Beobachtungen. Bei einzelnen iſt die Neproduktionskraft jedenfalls eine außerordentlihe. So beobachtete Dalyell, daß Holothuria fusus den abgeworfenen Tentakelapparat und die ausgeſtoßenen Eierſtö>ke und Darmteile innerhalb einiger Monate vollſtändig wiedererſeßte, und Semper, daß bei einer Holothuria scabra, welche ſih gewaltſam ihres Darmkanales, der Geſchlehtsorgane, Gefäße und linken Lunge entledigt hatte, die Atembewegungen der erhaltenen Lungenhälfte ſehr bald wieder begannen, und daß nach 9 Tagen die Eingeweide wieder erſeßt waren. Der oben genannte Dalyell beritet weiter, daß Holothuria Bodotriae gelegentlih ohne irgend welche wahrnehmbare Veranlaſſung in zwei und mehr Stüe zerfalle und iſ geneigt zu glauben, daß dieſe einzelnen Teilſtü>e zu neuen Tieren auswachſen könnten. Au<h Rymer Jones iſt der gleichen Anſicht.
Jm Fahre 1853 beſchrieb F. E. Gray unter dem Namen Rhopalodina lageniformis ein merfwürdiges kleines Echinoderm von Flaſchenform mit abgerundetem Bauch, über welchen zehn Doppelreihen von Füßchen verliefen, während der Hals der Flaſche oben die Mund- und Afteröffnung nebeneinander trug. Man machte ſpäter aus dieſem Tier eine beſondere Klaſſe der Stachelhäuter, dann eine neue Ordnung der Seewalzen, aber H. Ludwig wies nah, daß wir es mit dieſem, übrigens von Weſtafrika ſtammenden Weſen nur mit dem Vertreter einer neuen Familie der Lungenholothurien, welhe er Rhopalodinidae nennt und die man deutſch als Flaſhenholothurien bezeihnen könnte, zu thun hat. Man ſtelle ſich vor, der mittlere Rükenzwiſchenſtrahl einer gewöhnlichen Seewalze habe ſich bis zum Verſchwinden verkürzt, dann werden Mund und After des Tieres unmittelbar nebeneinander zu liegen kommen, und über den übrigen Körper werden ſcheinbar zehn Reihen von Füßchen ſtatt fünf verlaufen, indem nämlich eine jede von dieſen auf ihrem Wege vom Munde zum After gebogen wird. Verkürzungen des mittleren Nücfenradius kommen bei Holothurien thatſähli< auch ſonſt vor, ſo bei gewiſſen Kletterholothurien, welche Dadur< halbmondförmig gekrümmt erſcheinen und Ein- und Ausführungsöffnung des Darmes an den Hörnern des Halbmondes haben. Ludwig mußte bei ſeiner Ableitung der Rhopalodina-Form von einem der Cucumaria ähnlichen Weſen ſeine Zuflucht zur Konſtruktion einer hypothetiſhen Form mit noch ſtärker verkürztem mittleren Rükeninterradius nehmen, bei welhem Mund und After ſchon dicht nebeneinander ſtanden. Derartige, 1877 noh hypothetiſhe Geſchöpfe haben wir in der Zwiſchenzeit als thatſählih lebend kennen gelernt.