Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

26 Krebſe. Erſte Drdnung: Zehnfüßer; Familie; Viere>krabben.

Erſte Ordnung. Die Zehnfüßer (Decapoda).

Dieſe, die am höchſten entwi>elten Kruſter und die zahlreihſten Arten (über 2000) umfaſſende Abteilung iſl charakteriſiert dur die geſtielten, beweglichen Augen, das unbewegliche, zu einem Ganzen verwachſene und dur<h das große Schild bede>te Kopfbruſtſtü> und fünf Paar Beine. Ferner beſtehen ihre Mundwerkzeuge aus Oberlippe, Dberkiefer, zwei Paar Unterkiefern und drei Paar Hilfskiefern, und ihre büſcheligen oder blätterigen Kiemen ſind in beſonderen Höhlen unter dem Rückenſchild eingeſchloſſen.

Die höhere Entwikelung und Stellung der Zehnfüßer wird ih zwar bei der Vergleihung mit den übrigen Kruſtern von ſelbſt ergeben, die maßgebenden Momente dürfen aber doh ſchon jezt hervorgehoben werden. Ein Tier iſt höher entwi>elt als ein anderes, wenn es mehr leiſtet. Die Leiſtungsfähigkeit hängt aber ab von der Güte der Sinneswerkzeuge, um die Außenwelt aufzufaſſen, und von der Stärke des Körpers, um gegen die Außenwelt zu reagieren. Jy beiden Richtungen ſtehen die Zehnfüßer obenan. Jn keiner anderen Ordnung finden wir ſole Beiſpiele von Auffaſſung, von S{lauheit in der Berü>kung der Beute oder zur Bewerkſtelligung der Flucht, ein ſo ſcharfes Beobachten der Umgebung und eine ſolche Entfaltung von Liſt als hier. Und dieſe die Güte des Nervenſyſtems und der Sinneswerlzeuge, namentli<h der Augen, bethätigenden Eigenſchaften ſind gepaart mit der innerhalb der Klaſſe größten Widerſtandskraft des Hautſfelettes und mächtiger Entwi>kelung der Muskeln. Allerdings erſcheinen viele Zehnfüßer, aus dem Waſſer herausgenommen, gar ungeſchi>t gebaut, und ſie vermögen ihre ungeheuern Scheren kaum zu heben; man hat ſie aber eben niht ſo, ſondern nah dem Verhalten in ihrem Element zu beurteilen, wo ſie um ſo viel leichter ſind, als das Gewicht der von ihrem Körper verdrängten Waſſermaſſe beträgt. Demgemäß ſind dann die Bewegungen vieler nah Art unſeres Flußkrebſes langgeſhwänzter Zehnfüßer äußerſt behend und pfeilgeſhwind.

Nächſt dieſen die ganze Ordnung betreffenden Eigentümlichkeiten iſt das gegenſeitige Verhältnis der ſie zuſammenſeßenden Gruppen von hohem Fntereſſe, beſonders inſofern es ſih zuſpißt zum Gegenſatze von landlebigen zu waſſerlebigen Tieren. Die zehnfüßigen Kruſter werden um ſo behender und zum Laufen und Klettern geſchi>ter, je kürzer und leichter der von uns Schwanz (postabdomen) genannte Körperabſchnitt wird. Er vertritt bekanntlich beim Flußkrebs die Stelle eines kräftigen Nuders, und die großen muskelſtarken Hummern und Languſten können ſehr derbe Schläge damit verſeßen. Für die Laufbewegung iſ aber dieſer Anhang ſehr ſtörend, ſo daß namentlih außer dem Waſſer die langſhwänzigen Zehnfüßer ſi< in einer unangenehmen Situation befinden. Es folgt alſo daraus von ſelbſt, daß diejenigen Krebſe ſi< am geſchi>teſten gehend bewegen werden, welche von jenem für einen anderen Zwe> brauchbaren Anhängſel nicht geniert ſind. Mit der Verkümmerung oder geringen Ausbildung des Nathleibes iſt daher die wichtigſte Bedingung zu einer ſolhen veränderten Lebensweiſe gegeben, und deshalb bilden die Langſ{hwänze und die Kurzſhwänze oder Krabben zwei natürliche Unterabteilungen der zehnfüßigen Kruſter, zwiſchen denen, wie überall in dem Syſtem der Tierwelt, eine vermit: telnde, man möchte ſagen charakterloſe Gruppe ſich einſhiebt. Nun nehmen unter dieſen Krabben diejenigen konſequenterweiſe den höchſten Rang ein, deren Beine die geſchi>teſten