Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, page 638

580 Hohltiere. Zweiter Unterkreis: Neſſeltiere; zweite Klaſſe: Blumenpolypen.

ſproſſen, mehr oder weniger hervortreten, bald rings an dem Stamme, bald nur an einer Seite oder auh abwechſelnd re<hts und links, wird ſhon dur dieſen Wechſel der Stellung eine außerordentlihe Mannigfaltigkeit der Polypenſtö>ke hervorgebracht. Weit wichtiger aber für das Ausſehen des zuſammengeſeßten Stockes iſt die Form und Ausdehnung des einfachen Sto>es, d. h. des Skelettes des Einzeltieres. Es kombinieren ſi< alſo mit jener rein äußerlichen Stellung der Knoſpen die vielen Möglichkeiten unter denen an den Einzelindividuen der Sto> erſcheint. Und um eine noh größere Menge von Polypenſto>formen hervorzubringen, kommt ſowohl bei der Teilung als bei der Knoſpung die Abſcheidung von Skelettmaſſe in Anſchlag, welche zwiſchen den einzelnen Fndividuen abgelagert wird.

Wenn nämli<h ein zuſammengeſeßter Polypenſto hervorwächſt, ſo bleiben die an ihm befindlichen Jndividuen gewöhnlich in einem organiſchen Zuſammenhange. Jedes kommuniziert mit allen ſeinen Nachbarn, jedes ſorgt zwar zunächſt und am meiſten für ſich, teilt aber dur< ein von Polyp zu Polyp ſih fortſezendes, nezartiges Gefäßſyſtem von ſeinem Überfluſſe auh den entfernteſten Sto>kgenoſſen mit. Und ſo leben die Mitglieder eines zuſammengeſeßten Stokes dem Prinzip nach in einem wohl eingerihteten Kommunismus. Die Vermittelung von Tier zu Tier geſchieht nun in der Regel durch eine organiſierte, d. h. am Stoffwechſel teilnehmende Maſſe, mag dieſelbe weih bleiben oder verkalken. Dieſe Zwiſchenmaſſe empfängt ihre Nährkanäle aus den nächſten Fndividuen und dieſe, den Lebensſaft leitenden Adern ſichern dem zuſammengeſeßten Polypenſto> bis zu einem gewiſſen Grade ein einheitliches Wachstum. Die Vielheit wird hierin zur phyſiologiſchen Einheit. Was jeder Polyp iſt und ißt, kommt unweigerlich der ganzen Geſellſchaft zu gute, und aus dem Überſhuß der Arbeit des Einzelnen werden gemeinſchaftlihe Anlagen beſtritten. Zu dieſen gehören die Stiele und Stämme, diejenigen Teile der zuſammengeſeßten Stöcke, auf denen keine Einzeltiere ſi befinden, und deren Wachstum und Größenzunahme uns unbegreiflih bliebe, wenn wix nicht die Nährkanäle auch in ſie hineintreten ſähen. Aber überall berühren ſi<h Leben und Tod, wenigſtens bei den maſſigen und bei den meiſten baumförmigen Stö>en. FJndem der Sto> dur< Knoſpung und Teilung ſi ausdehnt, ſtirbt er inwendig ab. Die Nährkanäle, welche von neuer, von neuen Adern durhzogener Subſtanz bede>t werden, verſiegen, ihre nächſte Umgebung kann nicht weiter am Stoffwechſel teilnehmen.

Wir ſind nun im ſtande, die natürlihen Gruppen der Polypen uns vorzuführen.

Erſte Ordnung. Die ſehsſtrahligen Polypen (Hexactinia).

Dieſe reihhhaltigſte Abteilung iſ dur< die Zahl und Menge ihrer Strahlen und Fühler charakteriſiert. Die Grundzahl iſt immer Sechs, doch bleibt es nur bei einigen Gattungen dabei ſtehen. Bei allen übrigen tritt eine Vermehrung der Strahlen und Leibesfächer dur< Einſchieben neuer Kreiſe ein, wona<h die Ordnung au< als „Vielkreiſige Polypen“ (Polycyclia) bezeihnet wurde. Man hielt früher dafür, daß dieſes Auftreten neuer Kreiſe von der Grundzahl aus einen ganz regelmäßigen Fortgang habe, ſo daß in beſtimmter Ordnung eine Mehrzahl von Ses folge, und durch die Reihenfolge der Kreiſe auh die Ordnungszahl und Länge der Fühler und Scheidewände beſtimmt ſei. Allein aus den neueren Unterſuhungen von Semper und Lacaze-Duthiers geht die Unrichtigkeit jenes ſogenannten „Geſeßes von Milne-Edwards“ hervor. Gewöhnlich ſchiebt